Woher beziehen wir unsere Informationen über das Weltgeschehen? Je nachdem, wen man fragt, wird man hier sehr unterschiedliche Antworten erhalten. Von Printpublikationen über Online-Medien, Radio, Fernsehen bis hin zu den sozialen Medien. Und dann gibt es natürlich noch Personen, die sich so gut wie gar nicht aktiv informieren, sondern aufschnappen, was Freunde, Verwandte und Bekannte wiedergeben. All diese Kanäle haben aber immer noch eines gemeinsam: Sie sind „Gatekeeper“, beziehungsweise arbeiten mit Gatekeepern. Wir lesen, was ein Redakteur für druckenswert hält, was unsere Freunde spannend finden oder was der Algorithmus für uns vorgefiltert hat. Das war schon immer so.
Einen Unterschied zu früher gibt es aber heute. Und der ist gravierend. Vor einigen Jahren waren Medienkonsumenten zumindest noch einigermaßen zutreffend über die Sachlage informiert. Ob aus der Bild oder dem Deutschlandfunk – vielleicht mir einer unterschiedlichen Färbung – aber immerhin mit dem gleichen Nachrichtenkern. Heutzutage kann sich prinzipiell jede und jeder zu einer Nachricht äußern, auch Menschen, die von dem betreffenden Feld überhaupt keine Ahnung haben, und, vielleicht noch verheerender, die Nachricht muss nicht einmal wahr sein, um sich rasant zu verbreiten. Das Wörtchen rasant ist dabei besonders wichtig. Immerhin gab es auch schon in der Antike durchaus die Taktik, gezielte Falschinformationen zu streuen, um das Volk zu verunsichern. Aber ein berittener Bote braucht eben etwas länger, um durch die Lande zu kommen, als ein Bit oder Byte. (Unqualifizierte) Behauptungen, Meinungen, Annahmen, Kommentare und Fake News überschwemmen unsere Netzwerke und unser Gehirn. Und zumindest letzteres sollten wir schützen. Das liegt in der Macht jedes und jeder Einzelnen.
Definition von Fake News
Fake News, zu Deutsch „falsche Nachricht“ oder „Falschinformation“, sind laut Duden in den Medien und im Internet, besonders in den Social Media, in manipulativer Absicht verbreitete Falschmeldungen. Häufig sind sie politisch motiviert. In Pandemiezeiten grassierten Fake News fast so schnell wie das Virus selbst, und auch im Super-Wahljahr 2024 lässt sich eine Flut an Des- und Missinformationen beobachten. Nicht immer steckt da eine böse Absicht hinter. Manchmal greifen Menschen auf, was sie woanders gehört haben, und es kann natürlich auch mal vorkommen, dass Journalistinnen und Journalisten trotz aller Sorgfalt einen Recherchefehler begehen.
Was früher noch fix behoben werden oder zumindest in Vergessenheit geraten konnte („In die Zeitung von heute wird morgen der Fisch eingewickelt“), nimmt heute schnell beängstigende Dynamiken an. Fake News bergen Gefahren: Wenn, beispielsweise durch die schiere Masse an falschen Informationen, die echten untergehen, politische Meinungen beeinflusst werden oder die Gesellschaft gespalten wird.
Verbreitung und Auswirkungen von Fake News
Nimmt man den berittenen Boten und sein Pferd einmal aus der Gleichung: Wie kommt es, dass sich falsche Nachrichten heute so schnell verbreiten? Das hängt zum Teil damit zusammen, wie die Algorithmen funktionieren, die die sozialen Netzwerke steuern. Oftmals buhlen Fake News mit reißerischen Überschriften und provokanten Aussagen um die Aufmerksamkeit der Leser. Diese Trigger sind hoch erfolgreich. Je häufiger eine Meldung dann geklickt, kommentiert, geteilt und gelikt wird, desto schneller landet sie im Feed weiterer Personen. Außerdem sorgt natürlich die schlichte Existenz von Plattformen, auf denen jede und jeder ungeachtet des Kenntnisstandes Neuigkeiten posten und verbreiten kann, nicht nur für eine Demokratisierung der News-Welt, sondern eben auch dafür, dass die Anzahl von Falschmeldungen oder „gefährlichem Halbwissen“ enorm steigt.
Gefahren von Fake News
Warum sind die Falschnachrichten denn überhaupt so kritisch? Gab es nicht auch früher schon die gute alte Zeitungsente? Und hat man sich da nicht eher darüber amüsiert statt davor gefürchtet?
Alles wahr und trotzdem ist es heutzutage ein wenig anders. Viele der Gründe haben wir zumindest schon angerissen. Entstammte die Zeitungsente meist einem Versehen einer sonst seriösen und nach den Sorgfaltspflichten des Journalismus agierenden Redaktion, kann heute jeder publizistische Laie Nachrichten erstellen und verbreiten – ohne großartige Kontrolle, beispielsweise durch einen Chefredakteur. Der zweite Grund sind die bereits erwähnten Aspekte: Schnelligkeit und Reichweite.
Der dritte Aspekt liegt in den Absichten verborgen: Fake News heizen emotionale Diskussionen an und verhindern die sachliche Debatte. Das geschieht teils rein durch die Masse der verfügbaren Informationen. Im Prinzip versuchen wir, mit einem 24/7-Ansturm an Infos fertig zu werden und das mit Hilfe eines Gehirns, das zum Beerensammeln konzipiert wurde.
Verheerend sind Fake News auch dann, wenn sie zu Hetze und Hass animieren. Das Netz ist kein rechtsfreier Raum, manchmal hat man allerdings genau diesen Eindruck. Und es wird voraussichtlich noch dauern, bis hier wirklich effektive Gegenmaßnahmen etabliert sind. Zu guter Letzt werden manche dieser „Breaking News“ auch schlicht genutzt, um Computerviren in Umlauf zu bringen.
Fake News erkennen
Fake News zu entlarven, ist nicht immer so einfach, wie es auf den ersten Blick klingt. Nachrichten auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu prüfen, ist ein Handwerk, das nicht alle von Haus aus beherrschen. Haben Sie schon einmal von der Ehrlichkeitsvermutung gehört? Dieser Begriff aus der Kognitionspsychologie besagt im Kern, dass wir Informationen, die wir zugespielt bekommen, im Großen und Ganzen erst einmal annehmen und nicht umgehend anzweifeln. Wenn Ihnen jemand etwas scheinbar Unglaubliches erzählt, beispielsweise das der King of Pop, Michael Jackson, im Alter von nur 50 Jahren verstorben ist, dann haben Sie zunächst keinen Grund, das anzuzweifeln, auch wenn es unwahrscheinlich klingt. Insbesondere dann nicht, wenn Sie die Person, die Ihnen die Nachricht zuspielt, persönlich kennen oder Sie insgeheim vielleicht doch die leise Vermutung hatten, mit diesem Superstar könnte es auf das Ende zugehen. Das nennt man dann Prämisse: Sie haben bereits eine Grundannahme und werden in dieser bestätigt. Nichts anderes passiert in den sozialen Medien. Der Algorithmus füttert Sie mit Posts, die sowieso bereits Ihrer Neigung entsprechen. Social-Media-Freunde teilen eine Falschinformation, aber da sie die Person scheinbar kennen, nehmen sie eher an, es könne sich um eine echte Nachricht handeln.
Zu verstehen, wie wir Informationen auf ihre Qualität hin bewerten und einordnen, ist ein spannendes und umfangreiches Feld. In seinem Buch Immun gegen Unsinn (ET: 12.09.2024) geht unser Autor Thilo Baum ausführlich auf die verschiedenen Aspekte ein, die hier ineinandergreifen und kritisch beleuchtet werden müssen.
Angenommen, Sie wollen nicht direkt so tief einsteigen und trotzdem sichergehen, dass die Nachrichten, auf deren Grundlage Sie Ihre Meinung bilden, der Wahrheit entsprechen. Dann haben wir hier einige Tipps für Sie, um Fakes zu entlarven:
- Struktur und Sprache: Ist ein Artikel auffällig reißerisch formuliert oder animiert durch kontroverse Thesen oder Cliffhanger („Sie glauben nie, was XYZ in diesem Video sagt“) zum Klicken (sogenanntes Click-Baiting), sollten Sie Vorsicht walten lassen.
- Quellangaben prüfen: Wer ist der Verfasser des Artikels? Gibt es überhaupt einen? Falls nicht, ist das bereits ein recht deutlicher Hinweis, aber auch wenn eine Autorin angegeben ist, sollten Sie das Impressum prüfen und schauen, welche Quellen innerhalb des Artikels erwähnt werden.
- Bilden Sie sich Ihr eigenes Urteil: Falls Ihnen eine Nachricht wirklich seltsam vorkommt, liegt es vielleicht daran, dass sie es ist. In diesem Fall sollten Sie erst einmal davon absehen, Sie weiter zu verbreiten, sich mit Bekannten austauschen oder selbst recherchieren, ob andere seriöse News-Portale dieselbe Meldung herausgeben.
Um sicherzugehen, hilft auch ein schneller Blick auf die Webseite https://www.mimikama.org/. Die Betreiber haben sich es sich zur Aufgabe gemacht, aktuelle News gründlich zu checken und über Falschmeldungen zu informieren.
Fake News, die sich als Meinung tarnen
... oder eher umgekehrt, Meinungen, die sich als scheinbare News tarnen. Das ist eine weitere Facette der Desinformationen. Beide Arten sind nicht optimal, kommen aber immer wieder vor. Und zwar nicht einmal unbedingt in böser Absicht.
"Es besteht immer noch Meinungsfreiheit" ist beispielsweise ein Satz, der häufig zur Verteidigung eher fraglicher Aussagen herangezogen wird. Das ist, je nachdem, in welchem Kulturkreis man sich bewegt, auch zum Glück richtig so und ein absolut schützens- und verteidigungswertes Gut unserer Gesellschaft. Die Überlegung, die so einer Aussage aber immer vorausgehen muss, ist: Handelt es sich bei der Aussage wirklich um eine Meinung oder um eine Behauptung? Fakt oder Meinung? Das ist hier die Frage, und die sollten sowohl Sender als auch Empfänger für sich beantworten.
Was wir behaupten, muss sich beweisen oder zumindest prüfen lassen. Ein Beispiel: Wenn Sie sagen, heute sei Montag, dann lässt sich das gegenchecken. Es ist entweder richtig oder falsch und damit keine Meinung, sondern eine Tatsachenbehauptung. Äußern Sie hingegen: „Heute ist mal wieder so ein richtiger Mist-Tag“, dann ist das Ihre Meinung. Man kann es nicht überprüfen.
Übertragen auf die oft politischen Themen, mit denen wir uns im Falle der kritischen Fake News überwiegend befassen, wäre das folgendermaßen: „Ich finde die Ampelregierung gruselig“ ist eine Meinung. Es lässt sich nicht überprüfen, vor was Sie sich gruseln und die Aussage an sich ist weder wahr noch falsch. Dass Sie die Ampel gruselig finden, ist Ihre Meinung, und die dürfen Sie vertreten und kundtun. Anders verhält es sich mit der Aussage: „Die Ampelregierung hat noch nicht ein einziges Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt.“ Das ist eine Tatsachenbehauptung, und sie ist faktisch falsch. Eine schnelle Google-Recherche liefert zahlreiche Quellen, die die Aussage widerlegen. Somit dürfte man sich hier nicht hinter das Schutzschild der Meinungsfreiheit retten.
In Immun gegen Unsinn führt Thilo Baum noch weitere spannende Punkte an, die Meinungen von Tatsachen abgrenzen und unterfüttert diese auch mit passenden Auszügen aus der Rechtsprechung. Falls Sie sich unversehens in einer hitzigen Facebook-Debatte wiederfinden, ein äußerst nützliches Tool.
Verantwortung im Umgang mit Informationen
Die Verantwortung im Umgang mit Informationen ist heutzutage wichtiger denn je, denn wo als News getarnte Meinungen, Halbwissen oder knallharte Falschinformationen früher selten über die Kante des Stammtischs hinausgewandert sind, ist das seit dem Internet 2.0 eine ganz andere Geschichte. Die Verantwortung liegt hier, ebenso wie die Möglichkeit des Veröffentlichens, bei uns allen.
Was Plattformen unternehmen (sollten):
Einige Plattformen arbeiten mit externen Fakten-Checkern, beispielsweise von der dpa oder vom Recherchenetzwerk Correctiv. Sie überprüfen die Nachrichten, die der Algorithmus ihnen ausliefert. Entfernt werden dabei, zumindest auf Meta (u. a. Facebook und Instagram) aber nur solche, die Menschenleben gefährden. Andere Posts werden lediglich um einen Hinweis ergänzt, ihre Sichtbarkeit auf der Plattform eingegrenzt. So will man den Vorwurf der Zensur umgehen.
Außerdem wird mit automatisierten Filtern zur Erkennung und Entfernung schädlicher Inhalte, wie Hassrede, Gewalt oder eben Falschinformationen gearbeitet. Aber ob das reicht? Es obliegt auf jeden Fall uns allen, wachsam zu bleiben.
Was Sie unternehmen (sollten):
In Zeiten von Fake News und Desinformationskampagnen ist es entscheidend, dass Sie Nachrichteninhalte kritisch hinterfragen und Fake News entlarven lernen. Nutzen Sie zuverlässige Quellen und verifizieren Sie Informationen, bevor Sie sie weitergeben. Ein Fake-News-Checker kann Ihnen dabei helfen, die Echtheit von Nachrichten zu überprüfen. Achten Sie auf ungewöhnliche URLs, Rechtschreibfehler und fehlende Quellenangaben. Hinterfragen Sie die Intention des Autors, und suchen Sie nach zusätzlichen Berichten von vertrauenswürdigen Medien. Fragen Sie sich: Ist das hier ein Fakt oder eine Meinung?
Und wenn Sie mehr Unterstützung zum Thema suchen: Bestellen Sie sich Immun gegen Unsinn von Thilo Baum (erscheint am 12.09.2024 als Print, E-Book und Audio) und bauen Sie Ihre Abwehrkräfte auf humorvolle und informative Art und Weise auf.
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