Training, Coaching, Beratung

Neue Ideen entwi­ckeln – vom Brain­stor­ming zum Ques­ti­ons­tor­ming

von Andreas Steinle und Chris­tiane Frie­de­mann

Die meisten Workshops werden gemacht, weil man auf der Suche nach neuen Ideen ist. Dann heißt es: „Lasst uns mal ein Brainstorming machen!“ Keine andere Methode ist so verbreitet wie das von Alex Osborn 1939 entwickelte Brainstorming. Und das, obwohl die Methode große Schwächen hat. Etliche Studien kommen sogar zu dem Ergebnis, dass Brainstorming nichts nützt. Das Denken in der Gruppe funktioniert nicht besser, weil die Teilnehmer*innen sich gegenseitig blockieren und beeinflussen. Es hemmt die Menschen in ihrer Kreativität, wenn sie warten müssen, bis eine andere Person ausgeredet hat. Allein nachdenkende Menschen entwickeln sehr viel mehr und originellere Einfälle.

Hinzu kommen gruppendynamische Effekte, etwa dass alle der Denkrichtung der Führungskraft folgen. Der Vorteil der Brainstorming-Methode liegt nicht im kreativen Output, sondern im Sozialen. Es lassen sich viele Menschen einbinden. Doch wer wirklich originelle Ideen entwickeln möchte, sollte im Workshop andere Methoden einsetzen.

Questionstorming

Ein äußerst effektiver Weg, um auf gute Ideen zu kommen, besteht darin, keine Ideen zu entwickeln – sondern Fragen. Genau das steht im Zentrum der Methode Questionstorming.

Was ist eigentlich das Problem?

Wenn wir sofort anfangen, nach Lösungen für ein Problem zu suchen, bekommen wir zwar vielleicht interessante Ideen – aber womöglich für das falsche Problem. Hierzu mal ein Beispiel:

Die Führungsmannschaft einer großen Handelskette ist unzufrieden mit der Leistung ihres Verkaufsteams und sucht nach Wegen, wie sie dieses stärker motivieren kann. Wie so oft soll der Absatz angekurbelt werden. Schnell kommen Ideen wie: Lasst uns die Prämien für bessere Verkaufszahlen erhöhen. Oder: Der Verkaufsstar des Monats kommt auf die Titelseite der Mitarbeiterzeitung. Auf den ersten Blick sind das plausible Ideen. Doch was ist hier eigentlich das Problem: Wissen wir überhaupt, wie es um die Motivation der Verkaufstruppe bestellt ist? Wissen wir, was sie motiviert? Und was wäre, wenn wir die Leute einfach mal fragen würden? Fragen wie diese helfen dabei, zum Kern eines Problems vorzudringen und dieses besser zu verstehen.

Questionstorming
Manchmal kommt es vor allem darauf an, die richtigen Fragen zu stellen. Bei der Methode Questionstorming steht daher nicht die Suche nach Lösungen im Fokus, sondern die nach dem eigentlichen Problem.

Die Antworten liegen in den Fragen

Es lohnt sich, unseren Wunsch nach schnellen Antworten hintanzustellen, da diese oft alles andere als zielführend sind. Beim Questionstorming wird daher damit gestartet, ganz viele Fragen rund um ein Problem oder eine Herausforderung zu sammeln. Das Team stellt sich idealerweise vor ein Flipchart. Reihum schreibt dann jede und jeder die Frage auf, die ihr oder ihm zu dem Thema durch den Kopf geht. Das geht in einem digitalen Workshop auf einem gemeinsamen Worksheet ebenso.

Am besten geht man bei der Entwicklung der Frage so vor:

1. Im Stillen Fragen sammeln

Alle Fragen sollen so aufgeschrieben werden, wie sie in den Sinn kommen, und vor allem sollten sie nicht kommentiert oder diskutiert werden.

2. Mindestens 30 Fragen notieren

Ein weiteres Prinzip ist, dass das Team mindestens 30 Fragen notiert. Bei Frage Nummer 20 mag sich das Gefühl einstellen: „Puh, jetzt ist doch schon alles gefragt!“ Aber das ist genau die Extrameile, die das Gehirn gehen muss.
Warum muss das Gehirn eine Extrameile gehen?
Unser Denkapparat neigt zur Ressourcenschonung. Für spannende neue Perspektiven müssen wir unser Hirn etwas triezen. Die Erfahrung lehrt, dass es oft die letzten Fragen sind, die eine neue Perspektive auf ein Problem lenken. Hinter diesen neuen Perspektiven verbirgt sich häufig der Kern des Problems und ebnet die Bahn für einen Lösungsweg. Durch das Sammeln von Fragen weiten wir das Denken und engen unser Blickfeld nicht von vornherein ein.

3. Die Fragen bewerten und diskutieren

Wenn die erforderliche Zahl von Fragen notiert wurde, sollten alle Teammitglieder jeweils ihre Top 3 markieren. Jene Fragen, welche die meisten Punkte bekommen, werden dann im Team diskutiert:

  • Warum sind gerade diese Fragen so wichtig?
  • Was verbindet die Fragen miteinander?
  • Wie könnten sie uns bei der Lösung des Problems helfen?

Erst danach ist es sinnvoll, in einen weiteren Ideenfindungsprozess einzusteigen.

Questionstorming um neue Ideen zu entwickeln

Dumme Fragen sind die besten Fragen

Das Questionstorming hat neben den genannten Vorteilen noch den folgenden: Alle im Team können sich einbringen. Wenn es um das Vortragen von Ideen geht, sprechen häufig nur die vermeintlichen Expert*innen. Andere Perspektiven kommen damit zu kurz. Fragen können hingegen alle formulieren. Und die vermeintlich „dummen“ Fragen bringen häufig am meisten weiter.

Kinderfragen stellen

Es lohnt sich, alle im Team zu Fragen zu motivieren, wie sie Kinder stellen würden, zum Beispiel möglichst viele Warum-Fragen. Ebenso hilfreich sind Was-wäre-wenn-Fragen, weil sie die Perspektive in die Zukunft lenken. Zum Beispiel: „Was wäre, wenn wir unseren nächsten Workshop in einer Kunstgalerie machen?“

Über den Autor

Andreas Steinle, Gründer und Geschäftsführer der Zukunftsinstitut Workshop GmbH, berät mit viel Herzblut und Leidenschaft Unternehmen in der Fragestellung, wie sie ihre Zukunftsfitness verbessern können. Seine besondere Leidenschaft gilt der Neugierforschung und deren praktischer Anwendung in Innovationsprozessen. Er ist ein gefragter Redner auf internationalen Kongressen und Autor mehrerer Bücher und Studien. Seinen Abschluss als Dipl.-Kommunikationswirt machte er an der Hochschule der Künste Berlin, am Institut für Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation.

Christiane Friedemann, Gründerin und Geschäftsführerin der Zukunftsinstitut Workshop GmbH, ist eine Zukunfts-Macherin im wahrsten Sinne des Wortes. Seit über 25 Jahren ist sie im Bereich der praktisch angewandten Trend- und Zukunftsforschung tätig. Ihr geht es um die Übersetzung von Trends in reale Innovation. Nicht theoretisch, sondern mit hochgekrempelten Ärmeln, kreativen Methoden und praktischen Tools. Mit ihren Workshops will sie Neugier auf Zukunft und Lust auf Veränderung machen. Ihren Abschluss als Industriedesignerin machte sie an der Hochschule der Künste Berlin.