Training, Coaching, Beratung

Warum Teil­neh­me­rInnen bei faulen Trai­ne­rInnen mehr lernen

von Harald Groß

Mini-Serie: Didaktische Impulse für das Seminarjahr

  • Teil 1: Warum TeilnehmerInnen bei faulen TrainerInnen mehr lernen

Was tun Sie, wenn Sie etwas Neues lernen?

Genau jetzt in diesem Moment lesen Sie. Zwischendurch denken Sie nach. Vielleicht notieren Sie ab und zu Ihre Gedanken oder Ihre Fragen. Möglicherweise übertragen Sie eine der kommenden Anregungen nachher auf Ihr anstehendes Seminar. Vielleicht setzen Sie einen der Impulse gleich morgen ganz praktisch um …

Lesen, denken, notieren, übertragen, anwenden … das sind lauter aktive Lerntätigkeiten. Je aktiver sich die Lernenden in Ihrem Seminar mit dem Lernstoff auseinandersetzen, desto höher die Verarbeitungstiefe, desto mehr lernen sie. Darin sind sich die verschiedenen lernpsychologischen Schulen einig.

Was bedeutet das für Ihre Seminare?

Die TeilnehmerInnen können dann viel lernen, wenn wir sie lernen lassen, wenn wir ihnen viele Gelegenheiten geben, selbst aktiv zu werden. Mein Slogan dazu lautet:

„Weniger machen, mehr machen lassen!“

Genau das fällt TrainerInnen – auch mir – manchmal gar nicht so leicht. In Präsenz-, aber ganz besonders in Online-Seminaren erklären wir viel, stellen Fragen, fassen zusammen. Dabei sind wir hochaktiv. So in Aktion denken wir, unsere Sache gerade besonders gut zu machen. Das aber ist ein Trugschluss!

Wer lernt am meisten, wenn ich Ihnen die Rentenformel erkläre?

Erklären ist ein super Lernweg. Je häufiger ich die Rentenformel vorstelle, desto besser werde ich, desto mehr lerne ich. Um mein Lernen geht es aber nicht. Die TeilnehmerInnen sollen viel lernen! Machen Sie es besser: Lassen Sie die Lernenden in Ihren Seminaren noch mehr selbst machen.

Vier Praxisbeispiele:

Weniger machen …

Mehr machen lassen!

Ich erkläre die Rentenformel.

Die Lernenden erklären sich gegenseitig die Rentenformel.

Ich stelle Fragen zum Text.

Die Lernenden entwickeln Fragen zum Text.

Ich fasse die Lerneinheit zusammen.

Die Lernenden fassen die Lerneinheit zusammen.

Ich berechne den pH-Wert.

Die Lernenden berechnen den pH-Wert.

 

An den richtigen Stellen faul sein

Die Beispiele zeigen, wie viele Gelegenheiten für „Weniger machen, mehr machen lassen“ es im Laufe eines Seminars gibt. Als TrainerIn können Sie sich immer wieder prüfend fragen: Mache ich das? Oder machen das besser die TeilnehmerInnen? Auch hier gilt der didaktische Grundsatz: „Alles, was ich übertreibe, ist sträflich!“ Finden Sie also das richtige Maß zwischen „machen und machen lassen“.

Was steht der Faulheit im Weg?

Neue wie auch erfahrene TrainerInnen äußern beim Gedanken an „Weniger machen, mehr machen lassen!“ manchmal Bedenken. Sie sagen: „Aber geht es nicht schneller, wenn ich es erkläre?“ und „Woher weiß ich, dass die TeilnehmerInnen dann das Richtige lernen?“.

Ich teile diese Ängste nicht. Zum einen braucht Lernen seine Zeit. Zum anderen weiß ich auch nicht, was die Lernenden für Schlüsse ziehen, wenn ich die Rentenformel erkläre. Das Denken geschieht dabei verborgen in den Köpfen. Lasse ich die TeilnehmerInnen selbst aktiv werden, wird der Lernprozess deutlich sichtbarer.

Also: Auf in ein faules TrainerInnen-Jahr.

Über den Autor

Harald Groß ist Didaktiktrainer bei Orbium Seminare Berlin. Seit 20 Jahren bildet er TrainerInnen, DozentInnen, AusbilderInnen und HochschullehrerInnen aus. Zu seinen Kunden zählen die Siemens AG, AOK und die Freie Universität Berlin. Als Kind zweier leidenschaftlicher LehrerInnen beschäftigt ihn schon immer die Frage: „Wie können wir das Lernen gut auslösen?“ Nach Antworten sucht Harald Groß in der Lehr-Lernforschung. Aus den theoretischen Erkenntnissen formuliert er kleine didaktische Hebel, die in der Seminarpraxis bewirken, dass die TeilnehmerInnen viel lernen.

Harald Groß hat über 100 aktivierende Methoden für Präsenz- und Online-Seminare entwickelt. Seine „Munterrichtsmethoden“ werden im deutschsprachigen Raum in der beruflichen Weiterbildung, in Schulen und Hochschulen eingesetzt. Die „Munterrichtsmethoden“ sind als Buchreihe und Kartensets im Gert Schilling Verlag, Berlin, erschienen.

Jährlich im März und im August beginnt in Berlin die zehntägige TrainerInnen- Ausbildung unter der Leitung von Harald Groß.

Weitere Informationen zum Autor finden Sie unter:

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