Top-Führungskräfte sind es gewohnt, ihr Unternehmen und sich selbst zu (re-) präsentieren. Manche tun dies gut, manche weniger gut, die einen mit Freude und Leidenschaft, die anderen mit leichtem Grummeln in der Magengegend, wohlwissend: „Naja, das gehört als Chef nun mal zu meinen Aufgaben dazu…“.
Aber immerhin, die meisten meistern es. Meistens.
Executive-Presence auch in Online- und Hybridveranstaltungen
Doch dann kam im Frühjahr 2020 Corona über die Welt, und nicht nur Schulen, Restaurants und Schwimmbäder wurden nach und nach geschlossen, auch Kongresssäle, Tagungszentren und Eventlocations ließen ihre Türen zu. Und so stand der oder die CEO plötzlich nicht mehr auf dem Podium im festlich geschmückten Festsaal, sondern im nüchtern designten Streaming-Studio, zwischen Hightechkameras, Regisseuren, Tontechnikern und Aufnahmeleitern.
Statt echtem Applaus von echten Menschen gab es nun bestenfalls mal ein Daumen-Hoch-Emoji auf dem Monitor, aus spontanen Zwischenrufen wurden Kommentare im Chat, und in gleichem Maße, wie die Rückmeldungen aus dem Publikum verschwanden, wuchs die Unsicherheit des Präsentierenden: Hat mein Witz gezündet? War meine Geschichte verständlich und ist die Botschaft überhaupt angekommen? Aus fehlender Rückmeldung eines sicht- und spürbaren Gegenübers resultiert Unsicherheit über die eigene Wirkung.
Wie kann es dennoch gelingen, Stärken und Persönlichkeit auch auf virtuellen und hybriden Kanälen zu zeigen? Die sogenannte Executive Presence im ungewohnten Setting sichtbar zu machen?
Online-Kommunikation ist Stress!
Zunächst git es sich klarzumachen: Online-Kommunikation ist Stress. Nicht nur für die Präsentierenden, sondern auch für die auf der anderen Seite. Die einsam vor ihren Monitoren sitzen und verzerrte Wackelbilder genauso ertragen müssen, wie knisternde Mikrofone, Ton-Delays und mikroskopisch winzige Info-Grafiken. Sie gilt es abzuholen, statt zu überrollen. Mit Empathie, Haltung, klarer Sprache, klarer Struktur. Das ist – neben einem starken Inhalt – die Basis eines überzeugenden und souveränen Auftritts.
Halten Sie es einfach
Verabschieden sie sich von dem Gedanken, Sie könnten virtuell 1:1 denselben Content vermitteln.Trennen Sie sich von Inhalten und kürzen Sie. Eine einzige verständliche Botschaft und zwei Online-Kaffeepausen sind ein besseres Ergebnis, als acht Botschaften, die alle ungehört bleiben, weil Sie Ihr Publikum im virtuellen Nirvana verloren haben.
Schaffen Sie eine klare Struktur. Mehr noch als bei physischen Vorträgen, ist es Ihre Aufgabe, das Gegenüber abzuholen, an die Hand zu nehmen und immer wieder Orientierungspfähle in die Präsentation zu klopfen. Ein kurzes Zwischenfazit, die Zusammenfassung wichtiger Ideen, eine Übersicht über den weiteren Ablauf…: Kein nice to have, sondern eine Notwendigkeit. Wer bei Online-Präsentationen mental abschaltet (oder kurz die Internetverbindung verliert) und einmal draußen ist, der bleibt oft draußen.
Nicht sichtbare körpersprachliche Signale des Gegenüber und das Sprechen in den leeren Raum machen selbstbewusstes Präsentieren schwer. Nutzen Sie alle Möglichkeiten des Web-Tools, um in Interaktion mit Ihrem Publikum zu treten – nicht nur als Spannungselement für Ihr Publikum, sondern auch für das eigene gute Gefühl! Festzustellen, es ist Bewegung im Chat, Fragen werden gestellt, etc., all dies nimmt das Gefühl einer Ansprache ins Nichts. Sich zumindest einigermaßen wohl zu fühlen, ist Voraussetzung für Präsenz vor der Kamera.
Geteiltes Publikum, geteiltes Leid? Ein Exkurs zum Hybrid-Event
Straffen, Strukturieren, Interagieren – besonders wichtig in einem Format, das selbst erfahrenenen Präsentatoren die Schweißperlen auf die Stirn treibt: Die Hybridveranstaltung. Nicht Fisch, nicht Fleisch stehen viele Redner, Trainer und Seminarleiter vor der Frage: Wohin schauen, sprechen, gestikulieren? Und wie kann ich die eine Seite mitnehmen, ohne die andere auszugrenzen?
Remote zugeschaltete Besucher sind, zumindest in der eigenen Wahrnehmung, immer die, die draußen sind. Es zeugt von Empathie, sie gleich zu Beginn stark einzubeziehen – warum nicht mit einem Begrüßungs-Applaus der Präsenz-Teilnehmer?
Die Hürde, sich mit einer Fragen oder einem Wortbeitrag zu melden, ist größer, wenn man online zugeschaltet ist; es ist Aufgabe des Seminarleiters, dem aktiv entgegenzuwirken: „Ich frag mal unsere Remotes…“, „Mein Blick geht schnell mal ins Netz…, gibt es bei Euch eine klare Meinung…?“. Geben Sie Feedback – gerade zu den Wortbeiträgen aus dem Netz.
Stimmungen im Raum (das kritische Grummeln, schallendes Gelächter) für die Remote-Teilnehmer übersetzen. Sprechen Sie die Atmosphäre an, moderieren Sie nicht nur Fakten, sondern Emotionen im Raum. Je distanzierter das Setting, desto klarer und integrierender sollte die Kommunikation sein.
Bei der Reihenfolge der Wortbeiträge und Fragen auf Ausgewogenheit achten und im Zweifelsfall lieber mal einen Remote-Teilnehmer vorziehen, als mit der Diskussion reflexartig beim Live-Publikum beginnen. Bei unseren eigenen Hybrid-Workshops haben wir immer eine Kollegin dabei, die permanent beobachtet, was auf den Monitoren passiert. Was ist los im Chat, gibt es Wortmeldungen oder auch technische Probleme? Das mindert die Gefahr, das Online-Publikum aus den Augen zu verlieren.
Executive Presence: Klarheit und Entschiedenheit in der Sprache
Klarheit in der Sprache meint: Kurze Hauptsätze, aktive Sprache, nach vorne mit den Verben. Nur weil wie sie vor einer Kamera agieren, lassen sich Redner zu endlosen Schachtelsätzen, Passivkonstruktionen und den ungezügelten Einsatz von Substantiven hinreißen. Der eigenen Sprache zu vertrauen ist zudem das beste Rezept gegen Versprecher, Lampenfieber und Blackouts.
Konkrete Sprache führt zu differenzierter und authentischer Körpersprache – und die ist mitentscheidend für sichtbare Präsenz. Ihre Projekte und Visionen sind innovativ, kreativ, originell und nachhaltig? Ach. Damit werden Sie keinen Zuhörer bei der Stange halten, denn diese Behauptung haben Sie sicher nicht exklusiv. Je konkreter und beispielhafter Sie in Ihrer Sprache werden, desto länger halten Sie die Aufmerksamkeit Ihrer Zuhörer. Einem langweiligen Redner zuzuhören macht nie Spaß, virtuell ist es noch weitaus quälender.
Lassen Sie keine sprachlichen Missverständnisse zu. Ironie, Sarkasmus, oder ein sprachliches Augenzwinkern können auf der realen Bühne herrliche Stilmittel sein – in der virtuellen Kommunikation laufen sie schnell ins Leere und stiften Verwirrung (Hat er oder sie das wirklich so gemeint…?).
Neben klaren und entschiedenen Worten kommt es vor der Kamera besonders auf den klaren und entschiedenen Blick an. Haben Sie eine Gesprächspartnerin im Talk, gilt der Blick ihr, sprechen Sie mit Ihrem Online-Publikum, gilt Ihr Blick in diesen Momenten der Kamera – und nur der Kamera. Gerade im verdichteten Videobild rauben flüchtige Blicke zum Stichwortzettel oder zum Kameramann Präsenz. Besser kurz auf die Stichworte schauen und dann wieder den Blick zum Objektiv zu richten. Entschieden eben.
Wir sind davon überzeugt – und das ist die gute Nachricht zum Schluss – wer sich all das zu Herzen nimmt, wird auch aus dem Streaming-Studio oder vor einem Hybrid-Publikum seine Persönlichkeit zeigen können und die eigene Executive Presence sichtbar machen.
Zuerst veröffentlicht in: LERNRAUM – Magazin für Training und Personalentwicklung
Über den Autor
Der Hörfunk- und Fernsehjournalist Christoph Münzner coacht seit 2006 Führungskräfte großer und mittelständischer Unternehmen. Als Chef vom Dienst verantwortete er eine tägliche Magazinsendung bei RTL; für den WDR und Hit Radio FFH war er zuvor als Reporter und Redakteur unterwegs. Er entwickelte in dieser Zeit klare Kriterien für das Wirken vor der Kamera und in der öffentlichen Kommunikation: Welche Rolle spielen Gestik und Stimme für einen souveränen Auftritt? Wie gelingt es, Botschaften verständlich und überzeugend auf den Punkt zu bringen? Schon während seines Studiums war der Soziologe, Sport- und Medienwissenschaftler vom Thema Körpersprache fasziniert und forschte über den Zusammenhang von Sprache, Gestik, Mimik und sozialem Status. Im Rahmen des Executive MBA-Programms ist Christoph Münzner als Dozent an der (renommierten) WHU - Otto Beisheim School of Management tätig.
Wenn sie arbeitet, schauen ihr Millionen Menschen dabei zu. Seit über 25 Jahren ist die Journalistin und TV-Moderatorin Kay-Sölve Richter in den großen, meinungsbildenden Medien on air. Vor ihrer Zeit beim ZDF stand sie u. a. für RTL, n-tv, Radio Hamburg und dem WDR vor Kamera und Mikrofon. Auch auf der Live-Bühne vor Publikum fühlt sich die Diplom-Politologin wohl: Als Eventmoderatorin führt sie durch Podiumsdiskussionen, Kongresse und festliche Abendgalas. Aus erster Hand weiß Kay-Sölve Richter, wie es sich anfühlt, auf Knopfdruck voll da sein zu müssen. Wertvolle Erfahrungen aus der Praxis, die sie als Präsenzcoach und Keynote-Speaker gerne weitergibt. Im Rahmen des Executive MBA-Programms ist Kay-Sölve Richter als Dozentin an der (renommierten) WHU – Otto Beisheim School of Management tätig.