Der Markt ist überschwemmt mit Achtsamkeitsliteratur. Warum jetzt auch noch „Achtsam Verkaufen“?
Erstens, weil Verkaufen beim Verkäufer selbst beginnt. Ein Aspekt, der in vielen Vertriebsbüchern zu kurz kommt.
Zweitens, weil das Thema jeden von uns etwas angeht! Natürlich brauche ich eine gesunde Einstellung zu mir selbst und zu meinem Produkt. Aber wie gelingt es mir, eine gute Beziehung zu meinem Kunden aufzubauen?
Warum sind wir alle Verkäufer?
Wir verkaufen uns selbst, etwa wenn wir uns auf eine Stelle bewerben und einen guten Eindruck machen möchten. Anderes Beispiel: Sie verkaufen Ihr Lieblingsrestaurant – das französische Bistro um die Ecke –, wenn Ihr Partner die italienische Trattoria bevorzugt. Und Sie verkaufen die Nordsee, wenn Sie gern im Sommer dorthin fahren würden, Ihre Freundin aber lieber in die Berge möchte. Im Vertrieb sind >alle> Verkäufer, die mit Kunden in Beziehung stehen. Der Akquisiteur, der das Geschäft initiiert hat, die Produktspezialistin, die ihm zur Seite steht, oder der Serviceberater, der für den zuverlässigen Reparaturdienst verantwortlich ist.
Wie gelingt es Ihnen, eine gute Beziehung zu Ihren Kunden aufzubauen?
Reicht ein guter Smalltalk mit ein paar freundlichen Worten? Natürlich nicht. Der Smalltalk muss beim Verkäufer selbst beginnen, bevor er zum Kunden geht. Was denken Sie? Was fühlen Sie? Wie verhalten Sie sich? Das sind die drei Stellschrauben, deren Einstellung für Ihr Auftreten und für die Stimmung beim Kunden entscheidend ist. Ihre Gedanken beeinflussen Ihre Gefühle, und Ihre Gefühle beeinflussen Ihr Tun. Wenn Sie nicht gut drauf sind und sich in pessimistischen Gedankenschliefen verfangen haben, dann haben Sie auch unangenehme Gefühle wie Unzufriedenheit, Unsicherheit, Unfähigkeit. So können Sie kein überzeugendes Verkaufsgespräch führen. Der Kunde spürt sofort was mit Ihnen los ist. Sind Sie dagegen gut drauf und denken, das werde ich alles schaffen, dann fühlen Sie sich stark, selbstsicher und entschlossen. Das angenehme Gefühl wirkt sich nicht nur in Ihnen aus. Sie strahlen es auch an Ihre Kunden aus.
Und mehr noch. Wenn wir uns innerlich harmonisch ausrichten, dann sorgen wir einerseits bewusst für uns selbst, können andererseits damit sogar eine ganze Gruppe in eine positive Stimmung versetzen. Unsere innere Verfassung spiegelt sich in der Außenwelt wieder.
Was hat das jetzt mit Achtsam Verkaufen zu tun?
Achtsamkeit hilft, aufmerksamer mit uns selbst UND mit unseren Kunden zu sein. Wie tickt unser Kunde? Was ist ihm wichtig? Welche Signale sendet er uns mit seinen Aussagen, seinen Fragen und seinen Gesten? Das ist die zweite Seite der Medaille von Achtsam Verkaufen. Durch eine achtsame Haltung uns selbst gegenüber gelingt es, unseren Kunden intensiver wahrzunehmen und besser auf ihn einzugehen. Unsere Gesprächspartner wissen, dass wir ihnen etwas verkaufen wollen, aber sie spüren auch, dass es uns wichtig ist, herausfinden, was sie wirklich brauchen, um ihnen zu helfen und Ihre Wünsche zu erfüllen. Zeigen Sie Ihren Kunden Ihr ehrliches und aufrichtiges Interesse an Ihnen als Mensch und an Ihren Bedürfnissen! Geben Sie Ihrem Kunden das Gefühl, dass er in diesem Augenblick der wichtigste Mensch auf der Welt ist.
Das magische Dreieck ist die Basis für jedes gute Gespräch. Wenn es darum geht eine achtsame Haltung gegenüber sich selbst zu üben und seine Gesprächspartner bewusster wahrzunehmen, dann hilft Ihnen das Dreieck mit den drei Stellschrauben Gedanken, Gefühle und Gestalt weiter. Mit ihm gelingt es Ihnen, eine gemeinsame Wellenlänge zu Ihrem Gesprächspartner aufzubauen.
Wie werden Sie Chef/In Ihrer Gedanken?
Die automatisch und unbewusst ablaufenden Gedanken können Sie sich bewusst machen, indem Sie auf Ihre Selbstgespräche achten. Pausenlos, vom Aufwachen am Morgen bis zum Einschlafen am Abend, führen wir Selbstgespräche. Manchmal sind wir uns unserer Selbstgespräche bewusst, oft aber laufen sie unbewusst ab. Sie spielen bei der Entstehung unserer Gefühle eine entscheidende Rolle. Wenn wir uns ängstliche Gedanken machen, dann verspüren wir Angst. Wenn wir uns zuversichtliche Gedanken machen, dann sind wir hoffnungsvoll gestimmt. Wenn wir uns deprimierende Gedanken machen, dann sind wir deprimiert. Ja, unsere Gedanken haben auch einen Einfluss auf unseren Körper. Wenn Sie in eine Zitrone beißen, dann werden Sie bei dem Gedanken daran das Gesicht verziehen. Wenn Sie sich ängstliche Gedanken machen, zum Beispiel vor einem wichtigen Kundengespräch, dann schlägt Ihr Herz vor Aufregung schneller, der Blutdruck steigt und Adrenalin wird ausgeschüttet.
Deshalb achten Sie auf Selbstgespräche! Lassen Sie sich überraschen, Ihre unbewusst ablaufenden Gedanken zu entdecken. Mit der Zeit werden Sie ganz bestimmte Muster erfahren, die immer wiederkehren,e zum Beispiel wenn Sie bei dem Gedanken an ihren Lieblingskunden fröhlich und vergnügt sind.
Tipp: Schaffen Sie sich einen gedanklichen Kraftort, sobald Sie neue Kraft und Energie brauchen.
Wie werden Sie Steuermann oder -frau Ihrer Gefühle?
Eine wesentliche Voraussetzung, um unsere Gefühle besser steuern zu können, ist, sie bewusster wahrzunehmen. Wie gelingt Ihnen das? Je differenzierter Sie Ihre Emotionen benennen können, desto differenzierter können Sie Ihre Gefühlswelt empfinden. Und darüber hinaus auch die Gefühle von anderen, z.B. von Freunden und Kollegen und von unseren Gesprächspartnern. Wir nähern uns unseren Gefühle in drei Schritten.
Erster Schritt:
Benennen Sie alle Gefühle, die Sie selbst kennen und fühlen.
Zweiter Schritt:
Erweitern Sie bewusst Ihren Wortschatz der Gefühle, zum Beispiel mit folgender Übersicht.
Emotionen
heiter – dankbar – erstaunt – friedlich – optimistisch – panisch – begeistert – wütend – sorgenvoll – zuversichtlich – verstanden – unwohl – überrascht – zufrieden – alarmiert – allein gelassen – sicher – gehemmt – hasserfüllt – vergnügt – sauer – resigniert – irritiert – verunsichert – verärgert – gerührt – ängstlich – neugierig – begeistert – glücklich – aggressiv – bereichert – angenommen – abgeneigt – lustig – hilflos – enthusiastisch – geehrt – gewürdigt – mutig – motiviert – erschrocken – frustriert – beschämt – deprimiert – einsam – elend – melancholisch – niedergeschlagen – enttäuscht – bedrückt – erheitert – fasziniert – angeekelt – geschockt – geladen – energetisiert – eifersüchtig – erregt – hoffnungslos – erfüllt – bedroht – ängstlich – eingeengt – geliebt – geborgen – beschützt – frei – gebannt – erwartungsvoll
Dritter Schritt:
Machen Sie sich bewusst, in welchen Situationen Sie welche Gefühle empfinden und warum. Zum Beispiel: Warum sind Sie bei einer bestimmten Person unsicher? Warum waren Sie heute Nachmittag so gereizt?
Wenn Sie ihre Gefühle wahrnehmen, benennen und den Auslöser sich bewusst gemacht haben, dann können Sie mit hilfreichen Gedanken und Handlungen gegensteuern.
Wie entwickeln Sie mehr Klarheit im Gespräch?
Wie nehme ich Einfluss auf meine Gedanken und Gefühle? Gedanken und Gefühle nehmen Gestalt an in Form von Mimik, Gestik und unseren Handlungen. Kann ich auch meine Gedanken und Gefühle über die Gestalt, also über meine Handlungen, ändern? Die Antwort ist ein klares JA. Die Voraussetzung dafür ist, dass Sie Ihren Körper bewusst wahrnehmen. Um das Körperbewusstsein zu steigern, helfen Ihnen gezielte Körperübungen wie zum Beispiel das bewusste Atmen, das achtsame Gehen und der Bodyscan.
Technik: Kraftort
Nutzen Sie Ihre Vorstellungskräfte, um sich einen gedanklichen Kraftort zu schaffen. Dort können Sie, so oft wie Sie wollen, neue Energie tanken.
- Suchen Sie in Ihren Erinnerungen nach einem Ort, der für Sie Kraft symbolisiert. Ein Ort, an dem Sie gern sind, wenn Sie Energie brauchen, zum Beispiel ein Platz in der Natur.
- Notieren Sie so konkret wie möglich, was Sie an diesem Ort sehen, hören, riechen. Was ihn zu einem Sinnbild der Kraft macht. Wie Sie sich an diesem Ort fühlen.
- Machen Sie es sich bequem und schließen Sie sanft die Augen. Jetzt stellen Sie sich vor, wie Sie an Ihrem Kraftort sind und sich in Ruhe umsehen. Spüren Sie, wie sich Kraft und Energie ausbreiten, und erleben Sie, wie Sie von der positiven Energie erfüllt werden.
- Bleiben Sie so lange dort, wie Sie wollen.
- Zum Beenden der Übung recken und strecken Sie sich (falls die Situation es zulässt) und atmen Sie einige Male tief ein und aus.
- Nehmen Sie die so gewonnene Energie mit in das Gespräch.
Technik: Atemmeditation
Es ist relativ einfach, über Ihren Atem Ihre Emotionen und Gedanken zu steuern.
- Setzen Sie sich aufrecht und locker auf einen Stuhl.
- Stellen Sie die Füße flach auf den Boden.
- Legen Sie die Handflächen leicht auf die Oberschenkel.
- Schließen Sie sanft die Augen.
- Atmen Sie normal über die Nase tief in den Bauchraum ein und spüren Sie, wie sich Ihr Bauch beim Einatmen hebt und beim Ausatmen senkt.
- Atmen Sie ruhig und gleichmäßig: einatmen – ausatmen – kurze Pause.
- Überlassen Sie alle Spannung dem Boden.
- Machen Sie in Ihrem Tempo neun Atemzüge.
- Atmen Sie zum Schluss noch einmal tief ein und aus. Öffnen Sie langsam die Augen. Recken und strecken Sie sich nach Herzenslust.
Diese Übung können Sie jederzeit im Auto machen oder vor einem Gespräch, um sich anschließend besser zu konzentrieren.
Technik: Achtsames Gehen
Der Vorteil der Gehmeditation ist, dass Sie die geistige Ruhe auf die Aktivität übertragen. Richten Sie beim Gehen in jedem Augenblick Ihre volle Aufmerksamkeit auf jede Bewegung und jede Empfindung Ihres Körpers und bringen Sie sie jedes Mal, wenn sie abschweift, behutsam zurück.
- Richten Sie die Aufmerksamkeit auf Ihren Körper.
- Nehmen Sie den Druck auf Ihren Füßen wahr.
- Machen Sie nun einen Schritt nach vorn. Verfolgen Sie dabei jede Ihrer Bewegungen. Sie heben den Fuß an, bewegen das Knie, das Bein, die Hüfte, die Arme, den Oberkörper, den Kopf.
- Sie setzen den Fuß auf und rollen ihn langsam ab. Spüren Sie den Boden und den Kontakt der Ferse.
- Halten Sie kurz inne und wiederholen Sie den Vorgang mit dem anderen Fuß.
Auch diese Übung ist jederzeit und überall möglich, zum Beispiel auf dem Weg vom Firmenparkplatz zu Ihrem Schreibtisch oder von einem zum nächsten Kunden. Sie kann auch in fast jedem Tempo durchgeführt werden, solange Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit beim Gehen sind.
Technik: Bodyscan
Der Bodyscan hilft dabei, die Konzentration zu stärken und uns ganz auf die Gegenwart, das Hier und Jetzt, zu fokussieren, ohne mit den Gedanken in der Vergangenheit oder in der Zukunft zu sein.
- Setzen Sie sich auf einen Stuhl oder in einen Sessel oder legen Sie sich hin.
- Die Arme liegen neben dem Körper oder bequem auf den Oberschenkeln.
- Beginnen Sie tief ein- und auszuatmen.
- Schließen Sie beim Ausatmen die Augen, kommen langsam zur Ruhe. Sobald Ihre Gedanken abschweifen, kommen Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit wieder zurück zur jeweiligen Körperregion.
- Beginnen Sie mit Ihren Füßen. Fühlen Sie, an welchen Stellen die Füße den Boden oder die Unterlagen berühren und nehmen die Fersen, die Fußsohlen, die Zehen und den Fußspann ganz bewusst wahr.
- Spüren Sie dann in Ihre Unterschenkel hinein, die Waden und die Schienbeine. Wandern Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit in die Knie, die Oberschenkel und fühlen Sie, wo die Oberschenkel die Unterlage oder den Stuhl berühren.
- Wandern Sie dann mit Ihrer Konzentration in Ihren Bauch. Atmen Sie tief in den Bauch hinein und spüren Sie, wie sich Ihre Bauchdecke beim Atmen hebt und senkt.
- Fühlen Sie, wo der Rücken anliegt. Sind die unteren Rückenmuskeln entspannt? Überprüfen Sie, ob die Schultern locker nach unten hängen.
Über den Autor
Beate Götz-Lange (Düsseldorf) ist seit über 20 Jahren im Vertrieb tätig. Als Verkaufsberaterin hatte sie reichlich Gelegenheit wertvolle Erfahrungen mit Kunden zu sammeln. Als Trainerin und Coach für Verkauf, Stressmanagement und Achtsamkeit hat sie gelernt Ihr Wissen praxisorientiert weiterzuvermitteln. Als Gastdozentin an der privaten Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) entwickelt sie aus wissenschaftlichen Theorien eigene zukunftsweisende Ansätze. Ihr Trainingsangebot reicht von Verkaufsgesprächsführung über Stressmanagement bis zu Fitness im Vertrieb. Beate Götz-Lange ist LIFO® - Practitioner und Mitglied bei der Akademie für neurowissenschaftliches Bildungsmanagement (AFNB).