Management, Führung

Warum Anpas­sungs­fä­hig­keit die wich­tigste Zukunfts­kom­pe­tenz ist

von Carl Naughton

All failure is failure to adapt.

Charles Darwin würde zustimmend nicken. Robert Sternberg würde es ebenfalls tun. Falls Sie mit dem zweiten Namen nicht direkt jemand verbinden können: Sternberg ist einer der renommiertesten Intelligenzforscher unserer Zeit. Gerade hat er seine Forschung zur Adaptive Intelligence veröffentlicht, die in seinen Augen die IQ-Intelligenz in ihrer Wichtigkeit für den beruflichen und privaten Erfolg in diesem Zeitalter der Ungewissheit ablösen wird. Sein Gedanke einer Anpassungs-Intelligenz ist dabei gar nicht sooo neu. Er findet sich bereits in Veröffentlichungen zu einem sehr frühen „Intelligenz-Symposium“ von S. S. Colvin und R. Pintner aus dem Jahr 1921. Die Forscher bezogen sich in ihren Definitionen einer Anpassungs-Intelligenz bereits auf die Anpassung an die Umwelt.

Was macht diese intelligente Anpassungsfähigkeit gerade jetzt so interessant?

Fast Forward, 2022. Was macht diese intelligente Anpassungsfähigkeit gerade jetzt so interessant? Wenn Sie kurz drüber nachdenken, merken Sie: es ist eigentlich eine rhetorische Frage. Alles ändert sich. Permanent. Wenig hat Bestand. Weder in der medizinischen Sicherheit noch in den Arbeitsformen und -umständen. Ich habe ein wenig länger über diese scheinbar rhetorische Frage nachgedacht. Und ich finde sie gar nicht so rhetorisch, sondern viel eher kategorisch, kategorisch unterbeantwortet. Denn damit sind viele andere Fragen verbunden: z.B. ob diese Anpassungsfähigkeit direkte und indirekte Effekte auf den Erfolg von Menschen und Unternehmen hat, ob sie messbar, vielleicht sogar trainierbar ist? Eine der Kernantworten war für mich in den letzten Monaten die deutsche Version der „Adaptability Scale“, deren wissenschaftliche Fundierung ich mit einem Kollegenteam sichergestellt habe. Ein paar mehr Antworten bietet das bald erscheinende Buch „AQ - Warum Anpassungsfähigkeit die wichtigste Zukunftskompetenz ist“. Drei davon möchte ich heute mit Ihnen teilen:

1. Die Anpassungsfähigkeit - AQ - wird wichtiger als IQ. 

Das ist eine gewichtige Behauptung. Gut, dass ich den eingangs zitierten Herrn Sternberg auf meiner Seite habe. Denn auch er sieht im bisherigen Verständnis von Intelligenz, die die Basis vieler beruflicher und privater Erfolge ist, eine Kompetenz, die zunehmend aus der Zeit fällt. Warum? Die IQ-Intelligenz ist extrem hilfreich, wenn wir bestehende Entwicklungen analysieren und aus ihnen Folgerungen ableiten müssen. So lange diese Entwicklungsmuster Bestand haben, ist das eine zentrale Fähigkeit. Das wird aber zunehmend durch eine brüchige, disruptierte Realität verdrängt. Um diese zu verstehen und in ihr einigermaßen zukunftsfähig zu handeln, müssen wir uns auf immer neue Entwicklungsmuster einstellen: #WeAdapt.

2. IQ versteht, AQ erschafft 

Warum Anpassungsfähigkeit die wichtigste Zukunftskompetenz ist

Kreativität gedeiht oft in Sicherheit. Sind grundlegende Bedürfnisse gesichert, wenden wir uns entspannt der Entwicklung des Neuen zu. Die aktuelle Ungewissheit stört den mentalen Ruheraum, den wir für das „Ideeieren“ benötigen. Parallel fordert sie jedoch noch viel mehr kreative und viel kreativere Lösungen von uns. Unser aktuelles Zeitalter zwingt uns geradezu zur permanenten Neuerfindung. Die Folge: wir müssen in Unsicherheit kreativ sein, neue Muster erschaffen und das in Reaktion auf sich immer schneller abzeichnenden Wandel. #AdaptOrDie.

3. IQ ist abstrakt, AQ wirkt konkret. 

Haben Sie schon einmal einen IQ Test gemacht? Die Aufgaben darin sind wirklich kurios. Und sie sind irgendwie entfernt vom Alltag. Haben Sie sich einmal gefragt, wie oft in Ihrem Leben Sie ein tatsächliches Problem mit Hilfe von Multiple-Choice-Antworten gelöst bekommen haben, die in einem solchen Test Ihre verbalen und mathematischen Fähigkeiten abprüfen? Ehrlich gesagt, ist es nur in einem IQ-Test völlig normal, dass sie 53 Melonen kaufen und dazu dann die kuriosesten Fragen beantworten müssen. Dann aber fragen Sie sich einmal, wie oft Sie das Gefühl hatten, sich kurzfristig an veränderte Umstände in Ihrem Unternehmen oder Ihrem Privatleben anpassen zu müssen. Und schließlich fragen Sie sich, wie sensibel Sie auf Veränderungen reagieren, die sich am Horizont abzeichnen, um zu handeln, bevor es zu spät ist. Das sind die Fähigkeiten, die AQ mit sich bringt! Das ist der Punkt, an dem sich Wissenschaft und Alltag treffen und an dem es sich lohnt, in die eigene Anpassungsfähigkeit (und die Ihrer Teams) zu investieren. #Adapt2Win

Fazit: 

Auf absehbare Zeit wird die Zukunft unvorhersehbar sein. Wir können mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass es Ungewissheit geben wird. Sie können sicher sein, dass die Ereignisse Ihre Pläne überholen werden und dass die Handlungen anderer eine Reaktion erfordern werden. Und wir können ziemlich sicher sein, dass es schwierig ist, Veränderungen vorzunehmen, wenn wir nicht erkennen, dass wir uns anpassen müssen. Anpassungsfähigkeit heißt: Es ist weniger wichtig, WAS wir wissen, als WIE wir dieses Wissen nutzen. Deswegen ist der AQ eine solch zentrale Zukunftskompetenz. #boostAQ

Über den Autor

Dr. Carl Naughton ist Linguist und Wirtschaftspsychologe. Seit 2000 betreibt er das Open Mind Lab, dessen Projekte sich um mehr Offenheit dem Neuen und der Veränderung gegenüber widmen. Er hat das Prinzip der 4 Open Minds ins Leben gerufen, das die curious mind mit der clever mind, der courageous mind und der adaptable mind vereint. Damit begleitet er Innovations- und Transformationsprozesse vom Kulturwandel bis zur ERP-Software-Einführung. Er ist Hochschuldozent für Wirtschafts- und Führungspsychologie an der FOM Frankfurt, Research Fellow der Northern Business University und Studienautor für das Zukunftsinstitut (Neugiermanagement, Playful Business, Digitale Erleuchtung). Seit 2016 ist er Mitglied im Curiosity Council der Merck KG, der das Ziel verfolgt, mit einer nachweislichen Steigerung der beruflichen Neugier das Innovationsklima zu verstärken. Carl Naughton steht dabei oft auf der Bühne und vermittelt die Forschungserkenntnisse unterhaltsam und praxisnah. Darüber hinaus ist er Kolumnist bei der Frankfurter Rundschau.