Management, Führung

Virtu­elles Onboar­ding

Tipps für das Onboar­ding aus der Ferne

Zugegeben, auch als der Onboarding-Prozess neuer Mitarbeiter noch überwiegend klassisch vor Ort mit Führungskraft, HR-Beauftragten und Team-Kollegen durchgeführt wurde, lief nicht immer alles rund. Manchmal fehlten Zugänge zu den Systemen, manchmal war das Notebook noch nicht verfügbar oder man hörte gar ein überraschtes „Ach, heute ist schon Ihr erster Tag?" Dass das mehr als ungünstig ist, steht außer Frage, zeigt es neuen Mitarbeitern doch direkt, mit welcher Wertschätzung sie (nicht) rechnen können. Beim virtuellen Onboarding ist fehlende Vorbereitung noch verheerender. Unternehmen riskieren, neue Leute zu bezahlen, ohne dass deren Arbeitskraft genutzt werden kann. Oder direkt die Kündigung vor dem ersten Arbeitstag.

Spätestens seit der Corona-Pandemie machen virtuelle Onboarding-Prozesse einen Großteil der Einarbeitung aus. Mittlerweile hat der Markt in diesem Segment reagiert, es gibt Apps und Plattformen, die die Arbeit erleichtern – aber nicht komplett abnehmen. Ein professionelles Onboarding – und eines, das von Erfolg gekrönt ist, die Mitarbeitenden also langfristig im Unternehmen hält – ist mehr als Technik und Workflow. Es geht vor allem darum, eine emotionale und persönliche Basis zu schaffen, aus der eine vertrauensvolle Zusammenarbeit erwachsen kann. 

Vorteile eines strukturierten Onboarding-Prozesses

Die Zahl der Menschen, die zwischen Vertragsunterzeichnung und dem ersten Arbeitstag kündigen, ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Ebenso wie die derer, die in den ersten 100 Tagen im neuen Job die Flinte ins Korn werfen. Die Gründe? Fehlende oder mangelnde Onboarding-Prozesse und wenig bis keine Identifikation mit dem Unternehmen, vor allem, wenn das Onboarding virtuell stattgefunden hat. Wir befinden uns in einem Arbeitnehmer-Markt. In vielen Branchen können die Menschen sich aussuchen, wo und wie sie arbeiten wollen. Warum sollte das also bei einem Unternehmen sein, dass sie schon in der "Honeymoon"-Phase mehr oder weniger ignoriert? 

Der größte Vorteil liegt demnach auf der Hand: Durch strukturiertes Onboarding stellen Unternehmen sicher, dass neue Mitarbeiter den Job überhaupt antreten. Etwas detaillierter: 

Motivation der Mitarbeiter

Eine durchdachte und funktionierende Einarbeitung demonstriert, wieviel Wert auf den neuen Kollegen gelegt wird. Ein simpler Umstand, der Motivation und Leistungsbereitschaft enorm erhöht. Der Reziprozitätseffekt sorgt dafür, dass wir etwas zurückgeben möchten, wenn wir etwas bekommen. 

Produktivität und Fehlervermeidung

Selbsterklärend: Ein Mitarbeiter, der sich mit den neuen Programmen und Workflows auskennt, kann schneller arbeiten und macht weniger Fehler. Das ist bei remote work doppelt relevant, denn hier kann man nicht mal eben den Flur runterrufen und eine Frage stellen. Auch setzt sich vermutlich keine Kollegin daneben und geht den Prozess mit der Neuen durch. Dem Onboarding kommt hier also ein besonderer Stellenwert zu, will man die Mannschaft recht schnell und effizient ins verantwortliche Tun bekommen. Es braucht daher funktionierende Konzepte und Onlineschulungen für die kommenden Kolleginnen und Kollegen.

Employer Branding

Ein strukturiertes Onboarding-Konzept macht emotional fühlbar, dass das Unternehmen nicht nur Wert auf seine Kunden, sondern auch auf seine Mitarbeiter legt. Das steigert die Arbeitgeberattraktivität nachhaltig und hat positive Auswirkungen auf die Zukunft. Wenn es einem Unternehmen gelingt, das eigene Team zu Markenbotschaftern zu entwickeln, wirkt sich das unmittelbar auf ein besseres Recruiting-Ergebnis aus. 

Unterschied Digitales Onboarding vs. Büro

Es wird mittlerweile in vielen Branchen propagiert, dass die anfallende Arbeit ebenso gut aus dem heimischen Office erledigt werden kann wie aus den heiligen Hallen des Unternehmensbüros. Und in vielen Bereichen stimmt das auch. Was jedoch bei der remote Arbeit und damit auch dem remote  Onboarding gemeinsam mit dem Arbeitsweg wegfällt, ist die körperliche Erfahrung, gemeinsam vor Ort zu sein. Es fehlen die spontanen Gespräche am Kaffeeautomaten, der Flurfunk, non-verbale Signale von Kollegen, das Gefühl für die Stimmung im Team oder generell eine plastische Vorstellung davon, wie die Werte des Unternehmens gelebt werden. All diese Aspekte sind im Onboarding eben auch essenziell, werden aber von den Unternehmen oftmals vernachlässigt.  

Alles über einen virtuellen Prozess abzubilden, ist insgesamt eben gar nicht so einfach. Denn so praktisch und nachhaltig die Arbeit im Homeoffice auch sein kann, die Gefahr der sozialen Isolation ist hoch. Es dauert länger, bis sich Neulinge dem Unternehmen zugehörig fühlen, bis sie Work-Buddys gefunden oder ein Gefühl dafür entwickelt haben, wann eine gute Zeit für Rückfragen ist. Dem muss das Unternehmen aktiv entgegenwirken, indem es einen besonderen Fokus darauflegt, entsprechende Zeitslots freizuhalten, zwanglose Team-Zusammenkünfte per Videochat forciert und einen Plan vorlegen kann, der die verschiedenen Stationen des Onboardings klar beleuchtet. Neue Mitarbeiter sollten zu jedem Zeitpunkt wissen, was als nächstes kommt. Diese Punkte, die sich in Präsenz vor Ort natürlich ergeben, müssen virtuell konsequent implementiert werden. Denn sonst fallen sie komplett hinten über – und die Mitarbeitenden direkt mit.

Gestaltung eines effektiven virtuellen Onboarding-Programms

Und wie macht man es nun, wenn das Onboarding nicht nur virtuell, sondern auch gut sein soll? Unsere Autorin Elke Müller gibt in ihrem neuen Buch Professionelles Onboarding viele Tipps und Techniken an die Hand, von denen wir einige extrahiert haben. 

Vorbereitung der Technik und Willkommenspaket

Sorgen Sie als Unternehmen dafür, dass die benötige Technik bereits vor dem ersten Arbeitstag bei der neuen Kollegin ist. Ein Laptop mit funktionierendem VPN-Client, der benötigten Software mitsamt der Zugangsdaten sind das Minimum. Damit der Newbie sich schon einmal mit der Hard- und Software vertraut machen kann und außerdem nicht das Gefühl von "auf den letzten Drücker" entsteht (oder im schlimmsten Fall auf den verspäteten Drücker, wenn die Post nicht mitspielt), sollte die Technik ein paar Tage vor Arbeitsbeginn ausgeliefert sein. Es ist außerdem sinnvoll, sich einen Support-Plan zurechtzulegen, falls der neue Kollege mit einer Software nicht zurechtkommt und die IT-Umgebung nicht im Alleingang einrichten kann – denn Alleingänge sollten in dieser frühen Phase ja sowieso vermieden werden. 

Ein Willkommenspaket, das nicht nur die nüchternen Arbeitsmaterialien, sondern eine Packung Tee, Kaffee, Tassen oder gebrandete Produkte sowie einen persönlichen Willkommengruß beinhaltet, ist eine kleine Geste, die große Wirkung entfaltet. 

Onboarding-Buddy

Ein Onboarding-Buddy schließt die Lücke zwischen noch nicht vorhandenem Wissen des New Hire und ständigen Anrufen oder E-Mails an die Führungskraft. Diese Person soll kein Mentor sein und auch nicht für die komplette Einarbeitung zuständig, sondern ein Kollege auf Augenhöhe, der bei Fragen zur Verfügung steht und auch mal Zeit für eine virtuelle Kaffeepause hat. Bei der Auswahl des Buddys sollte auf folgende Kriterien geachtet werden: 

  • Hat die Kollegin genug Kapazitäten, um sich der zusätzlichen Aufgabe zu widmen?
  • Ist sie selbst schon lange genug im Unternehmen, kennt also die Prozesse und Zuständigkeiten, vor allem natürlich auch die im Bereich des New Hires? Es bringt nichts, jemanden aus der Produktion mit jemanden aus dem Controlling zusammenzupacken.       

Flexibilität und Pausen 

Remote Newbies müssen sich vieles selbst beibringen, huschen von Schulungsvideo zur E-Learning-Einheit und wieder zurück. Deswegen ist es wichtig, im Einarbeitungsprozess flexibel zu bleiben. Natürlich soll es einen Zeitplan geben und es ist auch okay, mit Fristen zu arbeiten, planen Sie für Ihre Neuen aber definitiv genügend Pausen und Zeiten ein, in denen sie ihre Arbeit selbst strukturieren können. Ansonsten kann die Fülle der Informationen schnell zum Overload und zu Resignation führen. 

Hinzu kommt, dass unsere Aufmerksamkeitsspanne bei virtuellen Formaten und Workshops wesentlich geringer ist als bei Präsenztrainings. Wir sind auf lediglich zwei Sinne beschränkt und Ablenkungen locken in jedem Tab. Learning-Einheiten oder auch virtuelle Meetings sollten im Idealfall, ohne zumindest eine kurze Pause, nicht länger als 30 Minuten am Stück laufen. 

Tools und Technologien für erfolgreiches virtuelles Onboarding

Onboarding-Tools und Apps gibt es fast im Überfluss. Und sie können den Prozess erheblich erleichtern – wenn man sie denn wirklich benötigt und sich für das richtige Tool entschieden hat. Nicht jedes Unternehmen braucht zwingend eine App für die digitale Einarbeitung. Abhängig von der Unternehmensgröße, der Mitarbeiterzahl und der Zahl der Onboardees geht es vermutlich auch sehr gut ohne. Um die Notwendigkeit für das eigene Unternehmen zu bestimmen, tauschen Sie sich am besten mit Kollegen aus ähnlichen Branchen aus und betreiben eine intensive Netzrecherche. Da die Frage unglaublich individuell ist, ist es die Antwort leider auch und Pauschalisierungen wären eher schädlich. 

Eine sinnvolle Ergänzung für eigentlich alle virtuellen Onboardings sind E-Learning-Einheiten, in denen das fachliche Wissen vermittelt wird, ohne dass Sie einen Mitarbeiter dafür abstellen müssen. Neue Mitarbeitende können in ihrem eigenen Tempo auf Schulungen, Dokumente und Videos zugreifen. Durch interaktive Inhalte wie Quizze und Simulationen wird das Lernen abwechslungsreicher und effektiver. Außerdem haben Führungskräfte die Möglichkeit, den Fortschritt der Mitarbeitenden zu verfolgen und gezielt Feedback zu geben. Sie unterstützen die Standardisierung des Onboardings, sodass alle Neueinsteigenden auf gleichem Wissensstand sind, selbst wenn die Unternehmensprozesse sich ändern. 

Remote Onboarding

Checkliste (virtuelles) Onboarding

Auf einen Blick: Das sind die wichtigsten Punkte, die in Ihrem Onboarding-Konzept einen Platz finden sollten – fast egal, ob remote oder vor Ort:

  1. Pre-Boarding: Vergessen Sie nicht, dass das Onboarding mit der Vertragsunterzeichnung beginnt. Eine Willkommens-Mail und die Einbindung des Vorgängers in die ersten Übergabeprozesse sind immens wichtig und müssen noch vor dem ersten Arbeitstag passieren. 
  2. Willkommenspaket und Arbeitsmittel: Idealerweise erreicht das Paket Ihren New Hire vor seinem ersten Tag. Die arbeitsnotwendige Software ist aufgespielt und es gibt einen Supportplan bei Schwierigkeiten mit der Einrichtung 
  3. E-Learning oder anderweitige fachliche Einarbeitung: Stellen Sie sicher, dass die neue Mitarbeiterin einen Lernplan bekommt, der sie fachlich und inhaltlich an ihren neuen Job heranführt – über E-Learning-Tools, Screenshares oder Videocalls mit einem Mentor. 
  4. Buddy: Fragen Sie frühzeitig einen Buddy an und stellen Sie die Kommunikation zwischen den beiden Kollegen her.
  5. Feedback einholen und geben: Lassen Sie den neuen Kollegen nicht allein und stehen Sie ihm auch als Führungskraft mit kontinuierlichem Feedback zur Seite. Andersherum nehmen Sie Kritik ebenfalls an, denn ein frischer Blick ist unersetzlich. 
                    

Evaluation und Optimierung des virtuellen Onboarding-Prozesses

Das Onboarding endet gemeinsam mit der Probezeit, und an dieser Stelle zeigt sich auch, wie erfolgreich der Prozess war. Ist der neue Mitarbeiter Teil des Teams geworden? Leistet er gute fachliche und inhaltliche Arbeit? Arbeitet er größtenteils selbständig und bringt eigene Ideen ein? Dann können Sie sich auf die Schulter klopfen, denn das Onboarding hat gut geklappt. Ist die Mitarbeiterin unzufrieden, zeigt unterdurchschnittliche Produktivität oder hat gar in der Zwischenzeit das Unternehmen wieder verlassen, dann stimmt etwas nicht. Hier gewinnt der, der nachfragt. Gerade das Feedback dieser (Ex-)Kollegen ist unheimlich wertvoll, um es in Zukunft besser zu machen. 

Oder Sie setzen von vornherein auf fundiertes Wissen mit Elke Müllers Professionelles Onboarding. Dort holen Sie sich tiefgreifenden Input rund um das Thema Pre-Boarding, Onboarding und Einarbeitung. Unter anderem geht sie auf die Bedürfnisse und Erwartungen verschiedener Generationen ein und erklärt, warum zielgruppenspezifisches Onboarding, zum Beispiel für Auszubildende oder Führungskräfte, sinnvoll ist und wie es funktioniert. So starten Sie perfekt vorbereitet – und Ihre künftigen Mitarbeiter ebenfalls.

Bild:  Dzmitry Dzemidovich, AndreyPopov / istockphoto.com