Von Anne M. Schüller
Die beste Zeit, unternehmerisch zu wachsen, war immer nach einer Krise. Insofern stehen nun alle Zeichen auf Aufbruch. Das betrifft Geschäftsmodelle, organisationale Strukturen und Führungsverhalten. Ein Transformation Canvas kann helfen, die dazugehörigen Prozesse für alle sichtbar zu machen.
Die Corona-Krise hat das Handeln vieler Unternehmen grundlegend verändert. Weitläufig hat sich gezeigt, wie wertvoll die Mitarbeiter:innen wirklich sind, wie engagiert und verantwortungsvoll sie agieren, wenn man sie unternehmerisch miteinbezieht und tatsächlich selbstorganisiert arbeiten lässt. Agilisierung und Digitalisierung legen weiter an Tempo zu. All das wird auch die organisationalen Strukturen in den Unternehmen verändern.
Post-Corona braucht ein Company Redesign
Für die Post-Corona-Zeit wird es nicht reichen, nur an ein paar Stellschrauben zu drehen. Vielmehr ist ein Company Redesign unabdingbar, um mit den Ungewissheiten einer sich immer schneller verändernden Zukunft Schritt halten zu können. Ein zentrales Element hierbei ist Partizipation, also die aktive Beteiligung aller im Unternehmen. Dazu braucht es umfassende Mitgestaltungsmöglichkeiten – und Transparenz.
Transparenz impliziert: Veränderungsinitiativen und ihr Fortschritt werden bereichs- und hierarchieübergreifend auf einem digitalen oder physischen Statusboard veröffentlicht und so für alle sichtbar gemacht. Auch die regelmäßige Aktualisierung ist allen zugänglich. Dies erleichtert interdisziplinäre Abstimmungsprozesse und garantiert Synergien. Außerdem: Wenn alles transparent ist, trocknet die Gerüchteküche aus.
Die fortlaufende Visualisierung von Maßnahmen und Tätigkeiten ist in operativen Bereichen schon länger Usus: Pinnwände, Whiteboards und Kanban-Boards sind Beispiele dafür. Ergänzt wird dies nun um ein Tool, das strategische Vorgehensweisen auf einer einzigen Seite darlegt. Es ist als Business Model Canvas bekannt geworden. Auf dieser Basis lässt sich auch ein Transformation Canvas erstellen.
Der Ursprung der Visualisierung durch ein Canvas
Die Idee, für die Entwicklung von Geschäftsmodellen ein Canvas, also eine Leinwand, zu nutzen, geht auf den Schweizer Business-Strategen Alexander Osterwalder zurück. Kernpunkt ist die Visualisierung auf einer kompakten Übersichtsseite, wodurch im Gegensatz zum langatmigen und textlastigen klassischen Business-Plan alles Wesentliche auf einen Blick sichtbar wird. So hilft diese Methode, sich strukturiert von einer Grundidee bis zum fertigen Geschäftsmodell vorzuarbeiten. Sie hat sich zu einem weltweiten Standard für Startups entwickelt und wird mittlerweile auch von großen Marktplayern eingesetzt.
Das ursprüngliche Business Model Canvas zeigt in neun definierten Feldern baukastenartig das Grundgerüst und die zentralen Faktoren, die bei einem Geschäftsmodell zu berücksichtigen sind. So kann man sich einen schnellen Überblick über die einzelnen Aspekte und ihr Zusammenwirken verschaffen. Auf die jeweiligen Felder werden beschriebene verschiedenfarbige Post-its geheftet. Diese lassen sich bei Bedarf jederzeit entfernen, verschieben oder ergänzen. Auf diese Weise können notwendige Überarbeitungen und angestrebte Weiterentwicklungen flexibel und sehr einfach aufgezeigt werden.
Wie ein Transformation Canvas aufgebaut wird
Für eine übersichtliche Illustration der wesentlichen Schritte des organisationalen Transformationsprozesses habe ich auf Basis des Osterwalder-Modells ein abgewandeltes Transformation Canvas entwickelt. So können auf einem einzigen großen Board, am besten im DIN-A0-Format (84,1 x 118,9 cm), die einzelnen Aktivitäten und die dazugehörigen Überlegungen festgehalten und jederzeit gemeinsam mit den Beteiligten bearbeitet werden.
Dazu werden zunächst die Ziele des Transformationsprojekts definiert. Dann werden die dazugehörigen Chancen und Risiken analysiert und auf Haftzetteln festgehalten. Hiernach werden die Maßnahmen bestimmt, die zum Projekt gehören. Anschließend werden die Umsetzungsaufgaben gelistet. Das Monitoring beschreibt Messzahlen, Verantwortliche, Zeitachsen und Ergebnisse. Vor den Augen aller entsteht so offen und transparent ein stets wandelbares Gesamtbild mit den dazugehörigen Elementen.
Zum Start maximal fünf Maßnahmenfelder befüllen
Die Anzahl der Transformationsvorhaben muss überschaubar bleiben, Aktionismus sorgt nur für Verzettelung. Zum Start empfehle ich maximal fünf Maßnahmenfelder. Die Personen, die an den einzelnen Themen arbeiten, schreiben ihre Ideen und Vorgehensweisen auf Haftzettel und kleben diese in das entsprechende Feld. Die Farbe der Haftzettel folgt einer festzulegenden Systematik, Durchnummerierungen zeigen die Prioritäten. Felder, die zunächst noch nicht in die Bearbeitung gehen, bleiben frei.
Die einzelnen Maßnahmen, die einen Transformationsprozess determinieren und somit auf das Canvas gehören, sind von Unternehmen zu Unternehmen verschieden. Inhaltliche Blaupausen kann es deshalb nicht geben. Blaupausen sind sogar höchst gefährlich. Denn keine zwei Firmen sind gleich. Branchen und Märkte sind genauso individuell wie Geschäftsmodelle, Unternehmenskulturen und Kundenstrukturen. Jede Firma muss ihren eigenen Weg für sich finden, experimentieren und ausprobieren, um den Sprung in die Zukunft zu schaffen.
Die Anwendungsmöglichkeiten eines Canvas
Das Canvas ist auf vielerlei Weise einsetzbar. Jede Führungskraft kann auf Basis dieser Vorlage für sich selbst ein Leadership Canvas erstellen, um den Weg und die dazu notwendigen Schritte des eigenen Wandlungsprozesses aufzuzeigen. Dieses Canvas wird offen an eine Wand im Büro aufgehängt. Kommen Mitarbeiter:innen, Kollegen oder höhere Vorgesetzte vorbei, kann man den Inhalt diskutieren und bereichern.
Im Innovationsmanagement ist ein Trend Canvas sinnvoll, um die gesellschaftlichen Trends, die für das Unternehmen von Bedeutung sind, sichtbar zu machen. Zudem kann eine Übersicht der in Arbeit befindlichen Innovationen entstehen. Im HR-Bereich kann ein entsprechender Canvas genutzt werden, um die Personalentwicklungsmaßnahmen, die den Transformationsprozess des Unternehmens begleiten, offen darzustellen.
Canvases werden also nicht in abgeschotteten elitären Zirkeln entwickelt. Viel ergiebiger ist eine ressortübergreifende Beteiligung über alle Hierarchiestufen hinweg. Machen Sie dabei vor allem die hellsten jungen Köpfe zu engen Beratern. Die Internetgeneration verändert die Spielregeln in sämtlichen Branchen. Sie definiert unsere Zukunft - und auch den Handlungsspielraum, den die Anbieter darin haben. Sich von jungen Gedanken, frischen Ideen und ganz neuen Vorgehensweisen durch den Wandel lotsen zu lassen, das macht Sie zu einem Überflieger der Wirtschaft.
Über den Autor
Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenzentrierte Unternehmensführung. Zu diesen Themen hält sie Impulsvorträge auf Tagungen, Fachkongressen und Online-Events. 2015 wurde sie für ihr Lebenswerk in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Beim Business-Netzwerk Linkedin wurde sie Top-Voice 2017 und 2018. Von Xing wurde sie zum Spitzenwriter 2018 und zum Top Mind 2020 gekürt. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Touchpoint Manager und zertifizierte Orbit-Organisationsentwickler aus.