Herr Grundl, im September 2022 ist das Arbeitsbuch zu Ihrem Longseller „Leading Simple – Führen kann so einfach sein“ erschienen. In einer Welt, in der alle von gesteigerter Komplexität reden, bleiben Sie hier bei „simple“. Ist Führung denn wirklich so einfach?
Der Untertitel des Ursprungsbuchs „Führung kann so einfach sein“ verführt natürlich. Wichtig ist hier das Wort „kann“. Was bedeutet das? Schauen Sie sich mal einen Weltklasse-Golf- oder -Tennisspieler an, einen erfolgreichen Formel-1-Fahrer oder virtuosen Geiger. All diese Profis haben sich durch die Komplexität ihres Themas durchgearbeitet und es mental durchdrungen. Das zeigt: Wenn wir in einem Feld wirklich kompetent sind, wenn Haltung und Handwerk intuitiv und Teil von einem selbst geworden sind, dann werden die Dinge einfach.
Was ich damit sagen will: Wenn wir uns an der Oberfläche bewegen, erscheint alles einfach. Wer tiefer gehen will, betritt einen Dschungel. Hier verdichtet sich die Komplexität erst einmal. Man versucht, alles zu verstehen, alles perfekt zu machen, alles zu lernen, allen gerecht zu werden. Das lastet schwer. Doch durch diesen selbst gewählten Druck geht unser Bewusstsein in diesem Kontext in die Tiefe. Das ist anstrengend, ja.
Doch irgendwann kommt der geistige Durchbruch zur Klarheit. Wie ein Flugzeug stoßen wir durch die Wolkendecke und erblicken oben die Sonne. Und dort werden die Dinge wirklich einfach. Leider gibt es keine Abkürzung dorthin. Es gibt kein mentales Wachstum ohne mentale Anstrengung. Ausgelöst durch unterschiedliche Situationen. Entweder hat ein Mensch beruflich und privat viele Herausforderungen überwunden und ist an ihnen gewachsen. Oder einiges an persönlichem Leid angenommen und transformiert. Unser Leadership Institut zieht vor allem Menschen und Unternehmen an, die wirklich geistig wachsen wollen und gerne den Preis der mentalen Anstrengung dafür zahlen. Sie möchten eine mentale Transformation auslösen, bevor das Leben sie dazu zwingt. So finden viele am Ende zu einer Einfachheit jenseits hoher Komplexität.
Können Sie Ihr revolutionäres Führungssystem „Leading Simple“ einmal prägnant darstellen, für Menschen, denen es noch kein Begriff ist?
Ganz kurz gesagt: Unser System „Leading Simple“ schafft Klarheit zum Thema Führung. Da draußen gibt es viele halb durchdachte Ansätze. Manche konzentrieren sich bei Leadership nur auf einen Aspekt. Die einen setzen zu sehr auf Persönlichkeit, und andere zu sehr auf Werkzeuge. Leading Simple hat es sich zur Aufgabe gemacht, wirklich alles Relevante zu dem Thema zu verdichten. Absicht und Ansatz waren von Beginn an, das vorhandenen Wissen und Können über Führung auf den Punkt zu bringen.
Was sind Ihrer Meinung nach die Faktoren, die „Leading Simple“ so beliebt machen?
Genau das, was wir mit Leading Simple beabsichtigen wollten, ist auch das, was die meisten an dem System schätzen: dessen Klarheit und Praxisorientierung. Das Konzept ist so stark, weil es das „Was“, das „Wie“ und das „Warum“ in Einklang bringt. Es beschreibt, was getan werden soll und auf welche Art. Das „Warum“ erklärt die Sinnhaftigkeit von Führung. Außerdem verbindet Leading Simple die Themen mentale Haltung und Werkzeuge.
Schauen Sie, mentale Krankheiten nehmen in unserer Gesellschaft immer mehr zu. Wir haben vermehrt Probleme mit dieser ungeheuren Komplexität und Veränderungsgeschwindigkeit. Viele unterschätzen beim Thema Führung die emotionale Anpassungsfähigkeit der Menschen. Doch sie ist genauso wichtig wie die Werkzeuge. Leading Simple besticht durch seine glasklare Methodik und Didaktik. Hier geht es nicht um Kalendersprüche wie „Das Glas ist halbvoll“ oder „Resilienz ist einmal mehr aufstehen als hinfallen“. Leading Simple vermittelt eine lupenreine Struktur bis in die Tiefe. Der große Vorteil ist, dass das System eine Erlernbarkeit von sowohl mentaler Haltung als auch von Führungswerkzeugen transportiert.
Leading Simple ist seit 15 Jahren auf dem Markt. Wie erklären Sie sich, dass es immer noch so gefragt ist?
Viele Bücher, Onlinekurse, Experten springen beim Thema Führung gerne auf Modewellen auf und surfen sie so lange, bis etwas anderes kommt. Führung kann klassisch, tradiert, richtungsbezogen, gruppenorientiert, dimensional, situativ, interaktional, transformal oder systemorientiert sein. Und natürlich soll man Visionär, Motivator, Empathiker, willensstark und resilient sein. Neues verkauft sich schließlich gut. „In jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, sagte schon Hesse. Deswegen ist der Markt so hinterher, immer etwas Erfrischend-Inspirierendes zu finden, um eine neue Welle auszulösen, mit der man Umsätze generieren kann. Mit Leading Simple haben wir uns bewusst gegen dieses Trend-Surfing entschieden. Wir geben dem ganzen Thema Struktur und verzichten auf Modewellen. Natürlich ist unser Institut immer bereit, neue Ideen anzunehmen – falls sie wirkungsvoll in der Praxis sind; und nicht, weil sie neu sind. Wir berücksichtigen nur ganz klare, große Veränderungen und bilden sie dann in unserem System ab – deswegen auch die Neuauflage des Buches „Leading Simple“ 2021 und des Arbeitsbuches heute.
Der Erfolg gibt uns Recht. Unsere Leading-Simple-Seminare werden seit 15 Jahren immer beliebter – inzwischen kommen schon die Kinder von früheren Teilnehmenden zu uns. Das belegt die Berechenbarkeit des Systems und zeigt den Wunsch nach Beständigem.
Was hat Sie zu der Idee eines passenden Arbeitsbuchs inspiriert?
Das Arbeitsbuch ist eine logische Konsequenz unserer Arbeit. Schon vor dem Lockdown haben wir uns gefragt, welche Daseinsberechtigung wir als Weiterbildungsinstitut in zehn Jahren haben werden. Auch als Experte grübelt man: Was haben die anderen davon, dass es mich gibt? Daraufhin haben wir uns neu aufgebaut. Das Arbeitsbuch ist eine logische Konsequenz dieser Neuaufstellung. Wir haben eine Million Euro investiert, um unsere Inhalte per geistiger Reduktion in kleine Lernbausteine zu gießen – und daraus eine eigene Lernwelt zu kreieren. Diese bilden wir in zahlreichen Formaten ab: in Onlinekursen, Seminaren, Vorträgen, in über 320 Lernvideos. Natürlich gehören Praxishandbücher dazu, mit den Inhalten: Wie führe ich andere? Wie führe ich Gespräche? Wie führe ich mich selbst? Leading Simple bildet die Antwort auf „Wie führe ich andere?“ ab. Interessierte können das Buch losgelöst vom Rest der Lernwelt durcharbeiten. Die ganze Methodik wird hier Schritt für Schritt erklärt. Doch wer will, kann den Ablauf auch zusätzlich in weiteren Formaten online finden.
Wo setzt das Arbeitsbuch an? Was sind die konkreten Hilfen, die Führungskräfte hier erwarten können?
Leading Simple unterscheidet zwischen der mentalen Haltung und den Werkzeugen. Wir wissen, dass das Erlernen einer Haltung heutzutage ein Riesenthema ist. Viele haben genau da ihre Schwierigkeiten, in der emotionalen Anpassungsfähigkeit an permanente Veränderungen. Dort entsteht psychischer Schmerz und innerer Widerstand. Die Leute leiden nicht darunter, dass sie keine guten Werkzeuge oder Systeme hätten. Wenn Firmen zusammengelegt werden, scheitert die Umsetzung selten an der Konzeption. Es sind immer die Emotionen, die Kultur, die Ängste der Mitarbeiter, die das Ganze zum Fallen bringen. Daher haben wir uns rund um Leading Simple viel Mühe gegeben, das Thema Haltung methodisch und didaktisch aufzubereiten. Die Erlernbarkeit eines bestimmten Bewusstseins ist aus unserer Sicht ein ganz großer Wurf. Das zeigt sich auch in der Resonanz.
Das Arbeitsbuch erhöht das Verständnis von der Verbindung der eigenen Haltung und den eingesetzten Tools. Denn erst aus dem richtigen Bewusstsein erwächst das passende Instrument. Ein Beispiel: Manche empfinden Kontrolle als Angriff auf ihren Selbstwert. Das steckt hinter dem Satz: Wer vertraut, muss nicht kontrollieren. Andere wollen noch bessere Kontrollmaßnahmen, um stärkeres Feedback für ihre Entwicklungsgeschwindigkeit zu bekommen. So wie ein Rennfahrer mehr Daten möchte, um seine Performance zu verbessern. Das sind zwei unterschiedliche mentale Haltungen zur Kontrolle. Schnell wird klar, dass die mentale Haltung ausschlaggebend für die Wirkung der angewendeten Kontrollsysteme ist. Also ist mentale Haltung eins und Werkzeug zwei. Außerdem geht die mentale Haltung in das Werkzeug über. Anwender des Systems verstehen, mit welcher Haltung sich welches Führungswerkzeug wann eignet. Diese Logik löst in der Praxis immer wieder Aha-Erlebnisse aus. Menschen erkennen plötzlich, warum in der Vergangenheit etwas funktioniert hat oder nicht, warum ein Werkzeug greift oder nicht.
Ist es sinnvoll, das Fachbuch „Leading Simple“ vorab zu lesen oder kann man direkt mit dem Arbeitsbuch loslegen?
Das Buch „Leading Simple – Führen kann so einfach sein“ verfolgt eine andere Absicht als das Workbook. Auch wenn die Inhalte identisch sind, erzählt das Buch eine Geschichte. Menschen lieben Geschichten. Darin geht es um eine fiktive Firma, die durch ein intensives Training ihre Firmenkultur transformiert. Das Fachbuch stellt nicht nur die intensiven Inhalte dar, sondern lässt erleben, wie sie in der Praxis angewendet werden. Der Leser folgt Schritt für Schritt den Erkenntnissen der Protagonisten – bis das Ganze gelingt und umgesetzt wird. Es ist eine Reise, die die Inhalte zum Leben erweckt, mit Menschen, Emotionen und Wiedererkennungswert. Das Arbeitsbuch hingegen hilft direkt bei der eigenen Umsetzung, Schritt für Schritt. Wenn jemand die Umsetzungsemotion nicht braucht, weil er von sich aus genug Energie und Antrieb spürt, könnte er auch einfach mit dem Arbeitsbuch starten – wie gesagt: Optional bildet sich das Arbeitsbuch eins zu eins in der Online-Lernwelt ab.
Im Buch gibt es neben den Grundlagen zwei große Blöcke: „Leading Simple indirekt“ und „Leading Simple direkt“. Mögen Sie einmal den Unterschied erklären und herausstellen, was die Kernelemente der jeweiligen Abschnitte sind?
Wer sich mit Leadership beschäftigt, denkt in der Regel an direkte Führung. Wie führe ich ein Meeting? Wie ein Mitarbeitergespräch? Wie überzeuge ich? Welche Fragen stelle ich, damit Menschen sich entwickeln? … All das ist direkte Führung, die klassische Eins-zu-Eins-Interaktion. Das ist natürlich wichtig.
Doch wenn Führungskräfte wachsen, führen sie vielleicht 100, 1.000, 5.000, 10.000 Menschen. Dann ist allen klar, dass direkte Führung einen platt machen würde. Wenn Manager jeden Einzelnen im direkten Gespräch von einer Änderung überzeugen müssten, kämen sie ganz schnell an ihre Grenzen. Wer Karriere macht, muss irgendwann indirekt denken und sich fragen: Welche Systeme müssen implementiert werden, damit unterdurchschnittliche Menschen Überdurchschnittliches leisten können? Egal in welchem Bereich, ob Kundenbetreuung, Reklamationen, Markteinführungen, Customer Feedback, … Systeme geben wahnsinnig viel Orientierung. Je größer und erfolgreicher Organisationen sind, umso mehr müssen sie durch erfolgreiche Systeme führen.
Leadership differenziert also sauber zwischen direkter Führung – von Mensch-zu-Mensch – und indirekter Führung – Systeme. Die Fragen lauten dazu „Wie entwickle ich andere durch meine Wirkung?“ oder „Wie mache ich mich überflüssig, während die Ergebnisse besser werden?“
Bei Ihnen geht es stark um „Verantwortung“: Wieso ist das aus Ihrer Sicht ein so wichtiges Instrument für gute Führung?
Seit über 20 Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema Führung. Dabei habe ich mich immer gefragt: Was ist der Ursprung von Erkenntnis und Einsicht – und damit Entwicklung? Womit fängt eigentlich alles an? Es gibt viele Ansätze, sich diesem Thema zu nähern, über die eigenen Motive, über Stärken, über Vertrauen, Selbstbewusstsein und und und. Ich habe für mich irgendwann festgestellt, dass am Anfang von allem immer Verantwortung steht. Genauer: dass ich zuerst Verantwortung für meine Wahrnehmung übernehme und anschließend Verantwortung dafür, wie ich das Wahrgenommene interpretiere. Deshalb haben wir das Thema auch erforscht. Sind meine Ergebnisse schlecht – weil meine Haltung nicht stimmt oder ich die falschen Werkzeuge eingesetzt habe – muss ich erst einmal meinen Teil der Verantwortung übernehmen. Nur so kann überhaupt Entwicklung stattfinden. Alles beginnt bei Verantwortung – mit dieser Erkenntnis ist eine besondere innere Ruhe bei mir eingetreten. Nach dem Motto: Das ist es! Endlich bin ich an der Quelle angekommen.
Leider ist Verantwortung kein beliebter Begriff, das haben wir oft festgestellt. Die meisten denken, Verantwortung sei Last, Schwere und verwechseln sie mit Verpflichtung. „Ich muss, aber eigentlich will ich nicht.“ Dieser Mensch identifiziert sich nicht mit seiner Aufgabe und braucht für die Umsetzung Disziplin. Dadurch, dass wir mit unserem Institut und Leading Simple einen anderen Blick auf das Thema geworfen haben, können wir die Lust auf Verantwortung wecken. Und wenn das Thema einmal neu geframed ist, ist jedem klar, dass Verantwortung – besser: das Bewusstsein über Verantwortung – ins Zentrum einer Firmenkultur gehört.
Über den Autor
Boris Grundl ist Unternehmer, Redner und Autor. Er legte eine Blitzkarriere als Führungskraft und Führungsexperte hin. Seit 20 Jahren forscht und lehrt er zur menschlichen Entwicklung. Inzwischen verdichtet sich sein Denken und Handeln in einem Wert: Verantwortung. Durch sein Lebenswerk möchte er Lust auf Verantwortung machen. Seit 30 Jahren ist er vom Hals abwärts gelähmt. Nach einem schweren Unfall startete er als Sozialhilfeempfänger ohne jegliche Perspektive. Heute lebt der zweifache Familienvater ein erfülltes, selbstbestimmtes und finanziell freies Leben in Spanien und Deutschland. Sein Antrieb: Möglichst vielen dabei helfen, die besten Menschen zu werden, die sie sein können. Im Laufe der Jahre durfte er über 300 Firmenkulturen tiefer analysieren. Daraus leitete er die entscheidenden Themen für zukunftsfähiges Leadership ab. Durch einen einzigartigen Transferprozess werden so die mentale Haltung und Werkzeuge für jeden systematisch erlernbar. Sein Grundl Leadership Institut sorgt dafür, dass Menschen und Organisationen diese Inhalte in der Praxis umsetzen und anwenden. Boris Grundl wurde schon früh für sein Lebenswerk ausgezeichnet (2015). Weitere Anerkennungen gab es als Vortragsredner des Jahres (2014) und für seine Fähigkeiten als Mediator (2019). Das Führungssystem Leading Simple wurde schon 2011 mit einem Coaching-Award bedacht. Der Harvard Business Manager schreibt von ihm als „Der Entwickler“ und die Süddeutsche Zeitung gar „Ein Stehaufmann, der seinesgleichen sucht“. Das Magazin events sieht in ihm „Das Ende aller Ausreden“ und Zukunft Training bemerkt in einem Portrait: „Boris Grundl ist gelebte Resilienz“.