Management, Führung

Killer­kom­mu­ni­ka­tion: So wird man sie los

von Anne M. Schüller

Wir schreiben das Jahr 1846. Ignaz Semmelweis, ein junger ungarischer Chirurg, arbeitet als Geburtshelfer am Kaiser-Joseph-Krankenhaus in Wien. Von Bakterien weiß man damals noch nichts. Durch Beobachtung findet Semmelweis aber heraus, dass, wenn man seine Hände vor jeder Behandlung gründlich desinfiziert und alle benutzten Instrumente sterilisiert, die Sterberate durch Kindbettfieber erheblich sinkt. Statt nun den Mediziner zu feiern, wird seine Entdeckung als »spekulativer Unfug« negiert und angefeindet. Schließlich wird er sogar entlassen.

Die Kollegen wollen einfach nicht wahrhaben, dass sie, weil sie es an Hygiene mangeln lassen, selbst die Ursache der hohen Sterblichkeit sind. Nach seinem Rauswurf steigt die Mortalität der Mütter nach der Entbindung wieder dramatisch. Doch Semmelweis wird Zeit seines Lebens von Ärzte-Kollegen gehasst, gemieden und ausgegrenzt. Letztendlich endet und stirbt er in einer Nervenheilanstalt. Dabei hat er das Leben von Millionen Menschen gerettet.

Das haben wir schon immer so gemacht: Der Semmelweis-Reflex

Seitdem spricht man vom Semmelweis-Reflex, wenn eine Idee, die etablierten Verhaltensweisen und verbreiteten Überzeugungen widerspricht, reflexartig erst einmal abgelehnt und der Urheber eher bekämpft als unterstützt wird. Vielen Größen ist das so ergangen. Manche landeten in der Verbannung, am Galgen oder auf dem Schafott. Nikolaus Kopernikus, der sein Leben lang den Lauf der Planeten erforscht hat, wagte erst auf dem Sterbebett, sein heliozentrisches Weltbild, bei dem nicht die Erde, sondern die Sonne im Mittelpunkt steht, zu veröffentlichen. Galileo Galilei musste seine Lehren vor dem Großinquisitor zu Rom widerrufen, um sein Leben zu retten. Das war 1633.

Doch warum nur ist solche Abwehr, wenn auch heute gemildert, immer noch gängig? Viele wittern im Neuen eine dubiose Gefahr, die man besser gleich bekämpft. Manche quält das Gefühl, dass ihr Ego beschädigt wird und sie an Macht verlieren, wenn jemand ausgerechnet »ihr Baby« vom Podest holt. Andere plagt die Erfolgsarroganz. Wem alles gelingt, der glaubt gern, dass es einfach immer so weitergeht. Und dann ist da noch Ignoranz. »Die Tanzenden wurden für verrückt erklärt von denjenigen, die die Musik nicht hören konnten«, so ein Zitat, das man Friedrich Nietzsche zuschreibt.

Killerkommunikation: So wird man sie los

Risiken meiden: In vielen Organisationen die bessere Wahl

Wer fest im Sattel sitzt, hat keinen Bock auf Experimente. Sie bergen das Wagnis des Scheiterns. Eine größere Fehlentscheidung, Budget in den Sand gesetzt, Zielzahlen nicht geschafft, und man ist Geschichte. Folgt man hingegen den Regeln und einem vorgegebenen Plan, hat man nichts zu befürchten. So sind die Geht-nicht-Sager, Vorgesternbewahrer und Bremsklotzunterschieber weit verbreitet. Oft sind sie die ersten im Meeting, die das Wort ergreifen, wenn eine neue Idee vorgestellt wird.

Und wie kommt es, dass sie so viel Gehör bekommen? Dazu hat die Harvard-Professorin und Kreativitätsforscherin Teresa Amabile verschiedene Experimente durchgeführt. Sie fand heraus, dass Kritiker oft als intelligenter wahrgenommen werden, man spricht ihnen ein spitzfindigeres Urteilsvermögen zu. »Schwarzseher erscheinen leicht als scharfsinnig und weitsichtig, während positive Äußerungen schnell als naiv abgetan werden«, sagt sie. Ein simples »toll« ist eben nicht sonderlich überzeugend.

Ideen sind die Mutter der Befürchtung

Insofern sind gute Ideen sehr zerbrechlich und werden leicht totgetrampelt. Jede Veränderung hat ja bekanntlich Beteiligte, Beleidigte, Betroffene und Befürworter. Sie setzt Hoffnungen und Befürchtungen frei. Sie erfordert zunächst Einsicht, dann loslassenden Abschied von lieb gewonnenen Gewohnheiten und dann ein überzeugtes Ja für das Neue. Dies liegt noch lange nicht jedem. So ersticken nicht selten Besitzstandswahrung oder Mutlosigkeit jedes kreative Denken und Handeln im Keim.

Sondiert im Unternehmen ruhig mal per einfacher Strichliste: Wie oft reden wir denn hier über das, was nicht funktioniert? Und wie viel läuft denn wirklich schief? Wie oft ist ein Negativfall denn tatsächlich eingetreten – oder in der Realität zu befürchten? Wie viele Kunden sind denn ganz und gar schwierig? Um wie viel besser ist die Konkurrenz denn zweifellos? Oder hat sie vielleicht nur die Beschäftigten mit der besseren Einstellung am Start?

Über den Autor

Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Zu diesen Themen hält sie Impulsvorträge auf Tagungen, Fachkongressen und Online-Events. 2015 wurde sie für ihr Lebenswerk in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Beim Business-Netzwerk Linkedin wurde sie Top-Voice 2017 und 2018. Von Xing wurde sie zum Spitzenwriter 2018 und zum Top Mind 2020 gekürt. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Touchpoint Manager und zertifizierte Orbit-Organisationsentwickler aus. www.anneschueller.de