Serie "Change-Müdigkeit vermeiden"
von Dr. Ralph Nolte
- Wieviel „Scheitern“ darf sich eine Transformation noch leisten?
- Müde von der X-ten Umstrukturierung?
- Fatal Error – Fehler 404 nach der Transformation
- Das Change-Projekt ist abgeschlossen. Erfolgreich.
Also, … alles „Roger“ … oder was?
Woher kommt dann die Trägheit in den Teams? Auch Kollegen, die bisher immer voranschritten, … von denen siehst und hörst Du nichts mehr. Merkwürdig. Was ist passiert? Die jüngsten Nachforschungen haben ergeben, dass es:
- Vertrauensverlust ist,
- Verunsicherung und Konflikte bis hin zu
- Zweifel und Angstzuständen.
Diese sind es, die Verhaltensstörungen in der Organisation hervorrufen bis hin zu einem erhöhten Krankenstand. Entstanden im gerade vermeintlich abgeschlossenen Projekt. Wenn überhaupt sichtbar, dann erst spät nach dem Projektende. Und damit ist die tatsächliche Ursache nur noch schwer auszumachen. Selbst die Ergebnisse verschiedener routinemäßig durchgeführter Gefährdungsanalysen nach §5 ArbSchG ergaben kein eindeutiges Bild. Erst die Anhäufung von Konflikten und damit der Anstieg von Mediationsverfahren der letzten 10 bis 12 Jahre hat es ans Tageslicht gebracht:
- Antriebslosigkeit
- Passivität bis hin zur Verweigerung
- Erschöpfungserscheinungen
- erhöhter Krankenstand
sind einige der Anzeichen, die immer stärker hervortreten und zu internen Konflikten führen. Bei näherer Betrachtung sind das eigentlich die entscheidenden Belastungsstörungen, die zur Change-Müdigkeit führen. Insbesondere bei Projekten in großen Unternehmen mit langjähriger Transformations-/Change-Laufzeit. Vor diesem Hintergrund empfehlen sich zwei Strategien, die Vermeidungsstrategie und die Akut-Behandlung.
Tipp 1: Vermeidungsstrategie
Durch Vorausdenken, welche Reaktionen entstehen können, sowie möglicher Gegenmaßnahmen, lassen sich Negativ-Entwicklungen schon zu Beginn der Wandlungsinitiative vermeiden. Genaues und aufmerksames Hinschauen ermöglicht das frühzeitige Erkennen von Stressoren, die zwangsläufig zur Change-Müdigkeit führen.
Eine engere Führung zu Beginn und der intensive Informationsaustausch hilft, im Veränderungsprozess Widerstände wirksam zu vermeiden. Das sind einige der wirksamen Maßnahmen, um es gar nicht erst soweit kommen zulassen.
Wenn Team-/Organisations-Performance nachlässt, ist es zu spät, erkennbar u.a. an folgenden Faktoren:
- Rückläufige Verkaufszahlen aufgrund reduzierter Kundenorientierung
- träge Marktbearbeitung und -reaktionen
- fehlende Wendigkeit im Markt
- eingeschränkte bis gar keine Budgets für Verbesserungen
- Nachhaltigkeit rückt aus dem Fokus
Tipp 2: Akut-Behandlung
Ist die Situation möglicher Widerstände und steigender Verweigerungshaltung erst einmal eingetreten, bleibt nichts anderes übrig, als sofort innezuhalten, zu stoppen. Gefolgt von:
- Tiefen-Analyse der Ursachen auf Basis der Projektphasen (Zielbild/-klarheit, Priorisierung der Aufgabenpakete, Abhängigkeiten innen und außen, Vorgehensweisen/Methodenauswahl und -einsatz, Risikobetrachtung)
- Aufdecken bisher unerkannter Reaktionen von Teilen der Belegschaft (Akzeptanzgrad, informelle Durchdringung der gesamten Belegschaft, Verständnis und Unterstützung)
- Staffing (intern/extern), Status des bisherigen Rollenverständnisses im Wandlungsprozess, Verantwortung/Vertrauen, Verlässlichkeit und Flexibilität, Grad der Einsatzbereitschaft)
Erst diese Transparenz erhöht die Effektivität bei der Entwicklung geeigneter Gegenmaßnahmen, dem Einbeziehen der Korrekturmöglichkeiten in den Führungsalltag im Transformationsgeschehen sowie eine Ergebnissicherung durch konstruktive Retrospektiven (Nachhaltigkeit).
Konstruktive Ansätze, um Change-Müdigkeit zu vermeiden beschreibt Dr. Ralph Nolte in seinem Buch „30 Minuten Change-Müdigkeit vermeiden“, erschienen am 29.08.2023 im GABAL-Verlag.
Bildnachweis: LuckyBusiness / istockphoto
Über den Autor
Ralph Nolte ist Ökonom und Experte für nachhaltige organisatorische Veränderungen und promovierte in Wirtschaftsphilosophie. Er erforscht im Besonderen die Ursachen für Konfliktsituationen in Projektnachlaufzeiten agiler Projekte und Transformation. Seit 2003 ist er freiberuflich tätig als Organisationsberater mit Schwerpunkt Konzeption und Umsetzungsbegleitung, ab 2013 arbeitet er zudem als ausgebildeter Wirtschaftsmediator. Als Referent zum Thema „angewandtes Projektmanagement“ lehrt er an der Universität des Saarlandes.