von Stefanie und Markus Kühn
Unsere Mandanten erzählen uns immer bereitwillig, wie viel Geld sie gespart und wo sie etwas angelegt haben. Zehntausend auf dem Festgeldkonto, eine fünfstellige Summe im Depot, Sparverträge, Fondsanteile. Sie zählen brav und vollständig alles auf. Und wenn sie fertig sind und wir schon Atem holen, um zum nächsten Punkt der Beratung überzugehen, dann kommt plötzlich ein Satz wie dieser:
»Ach, und da sind auch noch die hunderttausend Euro, die ich von meiner Tante geerbt habe.«
Geerbtes – oder geschenktes – Geld ist anscheinend häufig ein Fremdkörper für diejenigen, denen es zufällt. Sie legen es separat an und parken es auf einem eigenen Konto. Sie ändern oft gar nicht ihren Lebensstil. Das Erbe ist für sie Extrageld.
Und manche Menschen entwickeln, gerade wenn es sich um eine größere Summe handelt, überhaupt keinen inneren Bezug dazu.
Eine Erbschaft ist KEIN Extrageld
Genau diese Unsicherheit ist es, die den Umgang mit ererbtem Geld zum Problem macht. Ob Sie es anlegen oder ausgeben, spielt dabei keine Rolle. Aus finanztechnischer Sicht gelten für ererbtes Geld die gleichen Regeln wie für jedes andere Einkommen auch. Woher das Geld stammt, ist egal. Ihr Vermögen soll ja in seiner Gesamtheit zu Ihren Zielen passen.
Aber so unbefangen und selbstverständlich gehen eben längst nicht alle Erben mit ihrem Geld um. Wer erbt oder eine Schenkung erhält, hat ganz plötzlich einen mehr oder weniger großen Batzen Geld zur Verfügung. Wir haben in unserer Beratung mit Erbschaften von 50.000 bis 5.000.000 Euro zu tun.
Vor allem Immobilien in begehrten Gegenden erhöhen oft den Wert einer Erbschaft. Wer solche Summen erbt, kann sich Dinge kaufen, an die er vorher gar nicht zu denken gewagt hätte. Es fällt ihm eine Summe in den Schoß, die gar nichts mit seinem bisherigen Einkommen und seinen Ausgaben zu tun hat. Lediglich das »Glück«, dass ein Verwandter oder Freund viel erwirtschaftet und ihm hinterlassen hat, ermöglicht ihm nun, sich seine Wünsche zu erfüllen. Das wirft einige Schwierigkeiten auf. Und sie sind nicht finanztechnischer, sondern mentaler Art.
Erben kann einsam machen
Stellen Sie sich vor, Sie haben plötzlich 300.000 Euro zur Verfügung. Einfach so. An diesen Gedanken müssen nicht nur Sie selbst sich erst mal gewöhnen. Auch in Ihrer Partnerschaft und in Ihrem sozialen Umfeld können Probleme entstehen. Freunde, die weiterhin jeden Euro zweimal umdrehen, bevor sie ihn ausgeben, werden schlucken, wenn Sie plötzlich kaufen, was Ihnen gefällt, und beispielsweise mit einem dicken Auto vorfahren. Dafür sitzen Sie umgekehrt allein im Luxusressort auf den Seychellen, während Ihre alten Freunde wie immer an der Ostsee zelten.
Wenn das Erbe so groß ist, dass es den Lebensstandard ändert, zerbrechen manchmal sogar langjährige Freundschaften daran. Das passiert natürlich auch, wenn jemand auf andere Weise sein Einkommen steigert. Gerade bei jüngeren Menschen entwickeln sich Lebenswege auseinander, wenn einer eine große Karriere macht und der andere finanziell bescheidener lebt. Der Unterschied zum Erbe ist, dass sich eine Karriere schrittweise entwickelt. Das Erbe dagegen verändert das Leben fast von einem Tag auf den anderen.
Besonders schwierig für Partner mit getrennter Kasse
Besonders schwierig ist es für Paare mit getrennter Kasse, mit so einem plötzlichen Vermögensunterschied umzugehen. Wenn sich ein Partner plötzlich eine große Wohnung leisten kann und möchte, der andere das aber einfach nicht finanzieren kann, dann frisst sich das Geld tief in die Beziehung der beiden hinein. Entweder zahlt der erbende Partner die teurere Wohnung. Dann gerät der mitziehende Partner in eine Abhängigkeit, die er vielleicht nicht gewollt hat. Oder der erbende Partner verzichtet auf die große Wohnung, muss aber dann mit diesem Verzicht seinen Frieden machen.
Auch Paare, in denen bisher der Mann als Alleinverdiener das Geld heranschaffte, stehen vor einer Herausforderung, wenn die Frau plötzlich eine große Summe erbt. Vielleicht sind sie sich einig, das ganze Geld in ein Haus zu stecken, und alles ist wunderbar. Vielleicht haben sie aber auch unterschiedliche Vorstellungen. Und dann stellen sie fest, dass sich die Gewichte in ihrer Waagschale verschoben haben. Jetzt bringt nicht mehr nur einer das Geld mit, sondern beide. Manche Paare geraten in so einer Situation in eine ernsthafte Krise.
Simpler Neid kann die Freude vermiesen
Wir beobachten auch, dass manchem Erben simpler Neid die Freude über das Geld vermiest. Da machen die Freunde gehässige Bemerkungen, wenn er am Stammtisch nicht für alle zahlt, obwohl er doch jetzt das große Geld hat. Er sei sowieso arrogant und hochnäsig geworden, heißt es, weil er jetzt immer mit dem Auto statt mit dem Bus zur Arbeit kommt. Die Kollegen gönnen ihm nicht, dass er seine Arbeitszeiten reduziert, was er sich ja »nur« wegen des Erbes leisten kann. Es ist schwer, sich gegen solche Angriffe zu verteidigen! Denn man kann ja nicht sagen, man hätte das Geld »verdient«. Es ist reines Glück.
Jemand anders hat das ganze Geld herbeigeschafft. Es gibt überhaupt keine Rechtfertigung dafür. In unseren Augen benötigen Sie auch keine Rechtfertigung, aber Sie müssen einen Weg finden, mit Ihrem Erbe Frieden zu schließen.
Das Erbe besser verheimlichen?
Vor so einem Hintergrund ist es verständlich, dass manche Erben ihr Erbe einfach verheimlichen. Sie leben weiter wie bisher, als wäre nichts passiert. Viele Menschen sind ganz zufrieden mit ihrem Lebensstandard. Manchmal ist es eine echte Grundsatzentscheidung: Nehme ich das Geld, gebe ich es auch aus und verlasse ich damit die Kreise, in denen ich bisher verkehrt habe? Oder lege ich das Geld irgendwo an und teile weiterhin den Lebensstil meiner Freunde, auch wenn ich mir eigentlich Saus und Braus leisten könnte?
Bereiten Sie sich auf den Umgang mit dem Erbe vor
Stellen Sie sich eine Liste zusammen:
- Wer wird Ihnen das Geld neiden, wer gönnen?
- Wer könnte Erwartungen an Sie haben, wenn er oder sie von dem Erbe weiß?
- Gibt es nach außen sichtbare Wünsche, die Sie sich gerne erfüllen möchten?
- Welche Ziele des Zielpfades wird das Erbe aus finanzieller Sicht vereinfachen?
Sie erben nicht nur Geld, sondern auch eine Geschichte
Ein Erbe oder eine Schenkung kommt in der Regel nicht aus einer anonymen Quelle wie etwa ein Lotterie-Gewinn. Sondern Sie kannten oder kennen den Menschen, der Ihnen sein Eigentum überlassen hat. Die Zuwendung ist sehr persönlich gemeint. Bei einem Erbe gibt es noch mehr Beteiligte. Weitere Erben oder Familienmitglieder, die verärgert sind, weil sie nichts geerbt haben. Dazu noch die restliche Verwandtschaft, die möglicherweise mit Argusaugen verfolgt, was Sie mit dem Geld anfangen. An geerbtem Geld hängen Lebensgeschichten, Beziehungen und Gefühle. Der Zeitpunkt, zu dem man es bekommt, ist mit Trauer um einen menschlichen Verlust verbunden. Freude über das Geld verbietet sich. Oft verursacht das Erbe auch Konflikte mit weiteren Erben. Es beschäftigt das Gewissen. Es enthält eine unterschwellige Botschaft, oder der Erbe fühlt sich verpflichtet. Das alles macht es sehr schwer, einen rationalen Umgang mit diesem Geld zu entwickeln.
Streit unter den Erben
Eines der größten Probleme steht gleich am Anfang, wenn der Erbfall eintritt: Das ist der Streit unter den Erben, wenn mehrere Personen bedacht sind. Markus, der Rechtsanwalt, sagt seinen Mandanten immer: »Versuchen Sie, eine Erbengemeinschaft zu vermeiden – das bringt so oft Streit.« Schließlich vererbt der Verstorbene nur selten eine glatte Summe, die sich problemlos durch die Anzahl der Erben dividieren lässt. Oft ist noch eine Immobilie mit im Spiel. Sie muss erst verkauft werden, damit die Erben den Erlös aufteilen können. Das wollen aber nicht immer alle Erben. Einer würde das Elternhaus vielleicht lieber behalten. Dann geht der Streit um die Frage los, welche Summe man sich gegenseitig auszahlt. Oder wer denn das Haus nun bekommt, wenn es mehrere Erben gibt, die es gerne hätten. Gleichermaßen kann man sich auch um Schmuck, Teppiche, Silberbesteck oder sonstige persönliche Andenken streiten.
In so einer Situation das Erbe erst mal nicht anrühren zu wollen, ist durchaus verständlich. Und natürlich auch sinnvoll. Übrigens sind diese Konflikte nicht nur für die Erbengemeinschaft selbst belastend. In einem unserer Workshops lernten wir vor einiger Zeit eine Dame kennen, die ein hübsches Vermögen besaß. Ihr Mann war früh gestorben, und sie selbst war noch nicht alt. Sie hatte eigentlich noch viele Jahre vor sich. Trotzdem dachte sie bereits darüber nach, wie und wem sie ihr Geld hinterlassen wollte. Sie hatte keine eigenen Kinder, sodass ihr Erbe an ihre Geschwister fallen würde. Und das, sah sie voraus, würde zu riesigen Konflikten führen, wenn sie nicht frühzeitig selbst festlegte, wer was bekommen sollte.
Es gibt natürlich auch ganz gegensätzliche Fälle. Kürzlich berieten wir einen jungen Mann, der von seinem Onkel ein schuldenfreies Haus geerbt hatte. Auch hier hingen viele Gefühle an dem neuen Eigentum. Allerdings waren sie positiv.
Der junge Mann freute sich sehr. Nicht nur über das Vermögen an sich, sondern auch darüber, dass der Onkel gerade ihm das Haus vererbt hatte. Er hatte ihn als Kind dort oft besucht, und diese Besuche in seinem Haus gehörten zu seinen schönsten Erinnerungen. Das hatte der Onkel offenbar wahrgenommen, als er entschied, ihm das Haus zu vermachen. Seinen anderen Nichten und Neffen hatte er nämlich Geld hinterlassen. Der junge Mann sprach ganz liebevoll von seinem Onkel und dem Haus. Er war voller Dankbarkeit.
Über die Autoren
Stefanie Kühn ist seit über 20 Jahren als Finanzcoach tätig. Ihre Mandanten berät sie ausschließlich auf Honorarbasis. Damit sichert sie ihnen höchstmögliche Unabhängigkeit. Sie blickt auf mehr als 5.000 Beratungsgespräche zurück und weiß, dass Geld nie nur Geld ist. Es steckt immer eine Geschichte dahinter. Stefanie Kühn ist Diplom-Wirtschaftsingenieurin, Finanzfachwirt (FH) und Certified Financial Planner (CFP) und Mentalcoach. Zusätzlich hat sie eine Meditationsleiterausbildung und ist zertifizierte EmotionsCode Practitioner. Ihr Zertifikat hat sie durch eine Ausbildung bei der von dem Begründer der Methode, Dr. Bradley Nelson, autorisierten Emotionscode-Akademie (healerslibrary) erworben. Neben Einzelcoachings gibt sie ihr Wissen und ihre Erfahrung in Seminaren und Workshops sowie als Rednerin und Ratgeberin für Presse, Funk und Fernsehen weiter. Stefanie Kühn ist Autorin und hat mit ihrem Mann bereits mehrere Bestseller rund um das Thema Finanzen geschrieben.
Markus Kühn arbeitet seit 2001 als Rechtsanwalt in eigener Kanzlei mit Schwerpunkt Vermögensnachfolgeplanung und Erbrecht. Er ist außerdem Finanzfachwirt (FH) und Certified Financial Planner (CFP) sowie Mentalcoach. Markus Kühn ist außerdem ausgebildeter Hypnotiseur (TMI) und hat Zusatzausbildungen in Sporthypnose und EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) absolviert. Markus Kühn weiß aus seiner langjährigen Beratungserfahrung, dass mit Geld immer eine Geschichte verbunden ist und berät ganzheitlich. Er veranstaltet Webinare/Seminare rund um das Thema Geld und ist ein beliebter Ratgeber in der Presse. Zudem ist er Autor und hat mit seiner Frau bereits mehrere Besteller rund um das Thema Geld und Finanzen geschrieben.