Entscheidungen sind der unsichtbare Dreh- und Angelpunkt Ihres Lebenslaufs. Wie oft standen Sie bereits vor einer Situation, in denen Ihre Entscheidung unklar, die Konsequenzen weitreichend und das Risiko hoch waren? Die „richtige“ Wahl gleicht einem Drahtseilakt: Sie schwanken zwischen Ratio und Intuition, zwischen Ja und Aber. Sie sind gezwungen, weiterzugehen, denn Stillstand führt zum Fall – frei nach Watzlawick: Man kann sich nicht nicht entscheiden.
Worin aber liegt die Schwierigkeit, etwas zu tun, in dem wir alle doch eigentlich so geübt sind? Schließlich treffen Sie rund 35.000 Entscheidungen täglich – die meisten davon natürlich unbewusst und routiniert. Erst wenn Unsicherheit, Risiko und das Grübeln über die Folgen ins Bewusstsein treten, werden Entscheidungen tatsächlich schwer. Und genau hier sollten Sie ansetzen: Vermeiden Sie Denkfehler und eignen Sie sich geeignete Methoden an. So entscheiden Sie sich zukünftig nicht nur klar, sicher und leicht, sondern vielleicht sogar gern.
Die Psychologie hinter schwierigen Entscheidungen
Bevor wir auf die Werkzeuge zur Entscheidungsfindung eingehen, sollten Sie ein Verständnis dafür entwickeln, was die großen Entscheidungen so schwer macht. Dahinter verbergen sich zahlreiche psychologische Mechanismen.
Rational vs. intuitiv
Was auf den ersten Blick wie ein Gegensatz wirkt, ist auf den zweiten etwas komplexer. Intuition kann als bewusste Entscheidung „aus dem Bauch heraus“ verstanden werden, aber auch als Reaktion auf bestimmte Reize oder unbewusste Muster im Gehirn, sozusagen Reflexe. Intuition und Ratio können aber auch als Denkpartnerinnen miteinander interagieren. Die Ratio liefert Struktur und sachliche Argumente, während die Intuition persönliche Werte und Erfahrungen einbringt. Die richtige Balance zwischen beiden ist oft der Schlüssel zu einer sicheren Entscheidung.
Kognitive Verzerrungen und Entscheidungsfallen
Die Prozesse der Entscheidungsfindung werden durch kognitive Verzerrungen geprägt. Diese Denkfehler – auch als (Cognitive) Biases bezeichnet – beeinflussen unsere Entscheidungen in bestimmte Richtungen, ohne sie zwingend „gut“ oder „schlecht“ zu machen. Sie lenken uns jedoch in eine bestimmte Richtung. Zwei der häufigsten Verzerrungen sind die Verlustaversion und der Bestätigungsfehler.
Verlustaversion beschreibt die Neigung, potenzielle Verluste stärker zu gewichten als mögliche Gewinne. Ein Beispiel dafür findet sich bei Kodak: Das Unternehmen war führend im analogen Fotogeschäft und hatte die Technologie für digitale Kameras früh entwickelt. Aus Angst vor Verlusten in ihrem Filmgeschäft zögerte Kodak jedoch, die neue Technologie umfassend einzuführen, und überließ damit Wettbewerbern wie Sony das Feld. Diese zögernde Haltung führte letztlich dazu, dass Kodak den Anschluss an die Digitalisierung verlor und in eine Krise geriet.
Der Bestätigungsfehler hingegen beschreibt die Tendenz, Informationen zu bevorzugen, die bestehende Überzeugungen oder Hypothesen stützen, während widersprüchliche Informationen ausgeblendet werden. Ein bekanntes Beispiel ist die Fehleinschätzung des Nokia-Managements zu Beginn der Smartphone-Ära. Die feste Überzeugung in die eigenen Produkte führte dazu, dass Nokia das Potenzial von iPhone und Android unterschätzte. Der verspätete Eintritt in den Smartphone-Markt führte zu einem erheblichen Verlust von Marktanteilen.
Entscheidungsparalyse und Verlustängste
Die zunehmende Zahl an Optionen und die Angst, eine falsche Entscheidung zu treffen, können zur Entscheidungsparalyse führen. Verlustängste spielen hier eine große Rolle, denn der Gedanke, eine Option aufzugeben, wirkt oft belastend. Auf den ersten Blick mögen viele Optionen attraktiv wirken, muss man sich für eine davon entscheiden, bedeutet das aber auch, vieles andere zu verpassen – die „Qual der Wahl“. Studien zeigen, dass sich Menschen oft alle Optionen offenhalten wollen – aus Angst, etwas zu verpassen (FOMO – Fear of Missing Out) oder aus Unsicherheit über die Konsequenzen. Und so schließt sich der Kreis zum Drahtseilakt: Wer stehenbleibt, verliert letztlich alle Optionen.
Entscheidungsfindung: Methoden und Ansätze
Nachdem Sie die grundlegenden psychologischen Aspekte kennengelernt haben, stellt sich die Frage: Wie gehen Sie strukturiert mit Entscheidungen um? Um eine fundierte Entscheidung zu treffen, können zahlreiche Ansätze und Methoden helfen:
Pro-und-Kontra-Analyse
Bekannt, simpel, effektiv: Für einen ersten Schritt bietet es sich an, die positiven und negativen Aspekte jeder Handlungsalternative in einer Pro-und-Kontra-Liste gegenüberzustellen. Indem sie eine visuelle Vergleichbarkeit herstellen und die Aspekte gewichten, wird es Ihnen leichter fallen, den jeweiligen Output zu bewerten und eine Entscheidung zu treffen. Dadurch, dass sie die Problemstellung objektivieren, können Sie gleichzeitig kognitive Verzerrungen reduzieren.
Szenario-Planung
Falls die Pro-und-Kontra-Analyse nicht ausreicht, können Sie sich der Methode der Szenario-Planung bedienen. Skizzieren Sie verschiedene Zukunftsszenarien und analysieren Sie, wie sich Ihre Entscheidungen in diesen Szenarien auswirken könnten. Betrachten Sie dabei auch unterschiedliche zeitliche Dimensionen. Besonders im Business-Kontext hilft es, mögliche Risiken besser abzuschätzen und einen Plan B, C oder sogar D zu entwickeln.
Einfache Entscheidungsstrategien und Faustregeln
Sind schnelle Entscheidungen gefordert? Dann können einfache Regeln wie die 10/10/10-Methode helfen. Stellen Sie sich die Fragen, wie Ihre Entscheidung aus der Perspektive von 10 Minuten, 10 Monaten und 10 Jahren zu bewerten ist. Indem Sie eine Langzeitperspektive einnehmen, sinkt Ihr Risiko, im Moment impulsiv zu handeln und Ihre Entscheidung später zu bereuen.
Praktische Tools gegen kognitive Verzerrungen
Entscheidungsbäume oder SWOT-Analysen sind nützliche Werkzeuge, die besonders im Business-Bereich oft angewandt werden. Ein Entscheidungsbaum visualisiert die verschiedenen Optionen und deren Konsequenzen als eine Art „Karte“, die man schrittweise durchläuft. Die SWOT-Analyse hingegen zeigt Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken auf und bietet somit einen umfassenden Blick auf eine Entscheidung. Wenn es erforderlich ist, nicht nur zwischen einer Hand voll Möglichkeiten zu wählen, sondern Sie vor einer ganzen Reihe von Entscheidungen stehen, sollten Sie hier ansetzen.
Intuitive vs. datengetriebene Entscheidungen
Eine daten- oder KI-basierte Entscheidung ist oft die sicherste Wahl, da sie auf Fakten und objektiven Informationen beruht. Jedoch gibt es auch Situationen, in denen Daten allein nicht ausreichen, etwa bei der Auswahl von Führungskräften oder bei kreativen Entscheidungen. Hier kann die Intuition ein wertvoller Begleiter sein – vorausgesetzt, sie basiert auf Erfahrung und einem geschulten Gespür. Scheuen Sie also nicht, sich auf Ihr Bauchgefühl zu verlassen.
Insbesondere, wenn Sie Entscheidung anhand von (Big) Data und mithilfe von KI treffen, empfehlen wir Ihnen dringend einen Blick in Die 7 Pfade zu guten Entscheidungen von Johanna Dahm. In ihrem Buch beleuchtet sie die Methoden, Folgen, Vor- und Nachteile KI- und datengestützter Entscheidungen.
Fallstricke und häufige Fehler bei Entscheidungen
Um es Ihnen nicht allzu leicht zu machen, warten neben den kognitiven Mechanismen, die Ihr Denken bestimmen, auch noch weitere psychologische Phänomene und Verhaltensmuster auf Sie, die Sie aber zum Glück durch die Reflexion Ihrer Entscheidungsfindung etwas leichter aus dem Weg räumen können.
Perfektionismus und Überdenken
Ein häufiger Fehler ist es, zu lange an einer Entscheidung zu feilen, bis sie „perfekt“ erscheint. Doch Perfektionismus kann Sie blind für das Wesentliche machen. Statt auf die perfekte Entscheidung zu warten, sollten Sie versuchen, einen hohen, aber realistischen Standard zu setzen und dann aktiv zu werden. Wenn Sie zu Perfektionismus neigen, dann setzen Sie sich eine Deadline.
Vertrauensbildung und Selbstwirksamkeit
Entscheidungen bewusst zu treffen, stärkt das Vertrauen in Ihre eigenen Fähigkeiten und fördert Ihre Selbstwirksamkeit – das Gefühl, das eigene Leben proaktiv und erfolgreich zu gestalten. Wenn Sie den Mut haben, selbstverantwortlich Entscheidungen zu treffen, entwickeln Sie eine positive Haltung zur Verantwortung und erkennen, dass jede Entscheidung Ihnen die Möglichkeit bietet, etwas zu lernen. Auch wenn sie sich im Nachhinein nicht als die beste Wahl darstellt.
Bestätigungsfehler
Menschen neigen dazu, Informationen so zu interpretieren, dass sie ihre bestehenden Überzeugungen bestätigen. Wenn eine Entscheidung einmal ins Auge gefasst wurde, achten Sie möglicherweise häufig nur noch auf Fakten, die diese Entscheidung stützen. Ein Beispiel: Ein Investor, der eine Idee bevorzugt, sucht tendenziell nach Daten, die seine Sichtweise untermauern. Suchen Sie auch nach gegensätzlichen Meinungen und Informationen, um das zu vermeiden.
Zu viel Input
Es ist natürlich sinnvoll, Kolleginnen und Freunde um Rat zu fragen. Doch zu viele Meinungen führen oft zu zusätzlicher Unsicherheit. Die Lösung liegt auf der Hand: Konzentrieren Sie sich auf wenige vertrauenswürdige Quellen und treffen Sie schrittweise eine eigene Entscheidung.
Schwerwiegende Entscheidungen im Business-Kontext
Im Business-Umfeld sind Entscheidungskompetenz und Mut oft entscheidend. Bei weitreichenden Entscheidungen geht es aber oft um viel – viel Geld, viele Menschen, viel Verantwortung. Als Führungskraft müssen Sie aber zwangsläufig regelmäßig Entscheidungen treffen, die Ihr Unternehmen langfristig prägen. Wenn Sie die Verantwortung dafür übernehmen, mutige Entscheidungen zu treffen, können Sie Ihr Unternehmen voranbringen und das Team motivieren. Auch dann, wenn die Entscheidung nicht nur mutig, sondern auch unpopulär ist.
Im Business-Bereich gibt es zahlreiche Beispiele, in denen mutige Entscheidungen erforderlich sind, etwa bei der Erschließung neuer Märkte oder der Neuausrichtung eines Unternehmens. Solche Fallbeispiele illustrieren die Risiken und Chancen, die mit jeder Entscheidung verbunden sind, und sie bieten wertvolle Lernmöglichkeiten.
Ein historisches Beispiel ist die Umstrukturierung von IBM unter Lou Gerstner in den frühen 1990er Jahren. Der kriselnde Konzern war zu diesem Zeitpunkt stark auf Hardware ausgerichtet. Gerstner erkannte, dass IBM überleben würde, wenn es sich vom Hardware-Geschäft auf Dienstleistungen und Software verlagerte, was jedoch eine radikale Veränderung in der Unternehmensstrategie bedeutete. Dieser unpopuläre, aber mutige Schritt stieß zunächst auf Widerstand und Unsicherheit. Letztendlich erwies sich die Entscheidung jedoch als entscheidend für IBMs Zukunft und trug dazu bei, das Unternehmen in ein profitables Dienstleistungs- und Softwareunternehmen zu transformieren.
Praktische Tipps, um schwierige Entscheidungen zu treffen
- Zerlegen Sie schwere Entscheidungen in kleine Schritte. So vermeiden Sie Überforderung. Jeder Schritt bringt Sie näher und hilft Ihnen dabei, klar und strukturiert zu bleiben.
- Nehmen Sie Abstand von Ihrem Problem. Bewusste Pausen und Selbstreflexion können Wunder wirken, um emotionale Verstrickungen zu lösen und das eigene Denken zu klären.
- Lernen Sie, mit Fehlern umzugehen. Entscheidungen verlaufen selten fehlerfrei, und Rückschläge gehören dazu. Wenn Sie sich darauf einstellen, wir der Umgang mit Enttäuschungen leichter.
- Vertrauen Sie auf Ihre Entscheidungsfähigkeit. Wenn Sie sich Ihrer Fähigkeiten bewusstwerden, treffen Sie Entscheidungen mit größerer Sicherheit. Es ist schließlich nicht Ihre erste, oder?
Fazit
Schwere Entscheidungen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern ein unverzichtbarer Teil des Wachstumsprozesses. Wie auf dem Drahtseil erfordern sie den Mut, trotz Unsicherheit weiterzugehen. Jede Entscheidung hilft, die eigene Urteilsfähigkeit zu stärken und Risiken besser einzuschätzen. Besonders im Business treiben Entscheidungen den Fortschritt voran und ermöglichen Wandel. Wenn Sie lernen, sich auf diesem Drahtseil sicher zu bewegen, entwickeln Sie nicht nur Mut, sondern auch Selbstbestimmung – ein Gewinn für das Unternehmen und Ihren persönlichen Erfolg gleichermaßen.
Wenn Sie noch tiefer in die Kunst guter Entscheidungen eintauchen möchten, empfehlen wir Ihnen Die 7 Pfade zu guten Entscheidungen von Johanna Dahm. Neben einem umfassenden Einblick in die Psychologie der Entscheidung, hilft Ihnen die Kommunikationswissenschaftlerin und Wirtschaftspsychologin dabei, ein fundiertes Entscheidungs-Mindset zu entwickeln. Eine gute Entscheidung!
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